Strecke 3600: Werra-Brücke bei Oberrieden

Nord-Süd-Strecke (Bahnhof Hoheneiche: Zugunglück 1909)

 
Bebra - Eschwege West - Eichenberg - Friedland (Han) - Göttingen
 
Der Abschnitt zwischen dem Haltepunkt und Blockstelle Berneburg und
der Blockstelle Hebenshausen befindet sich im Werra-Meißner-Kreis.


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  Zugzusammenstoß bei Hoheneiche

In der Frühe des heutigen Donnerstags ereignete sich auf Bahnhof Ho­hen­ei­che an der Bebra-Göttinger Bahnstrecke ein schwerer Eisenbahnunfall, bei dem nicht nur bedeutender Materialschaden verursacht worden ist, sondern auch mehrere Zugbeamte zum Teil schwer verletzt worden sind. Amtlich wird über das Unglück folgende Meldung verbreitet:
Hoheneiche, 30. Sept. Auf dem hiesigen Bahnhof stieß heute Vormittag 3.36 Uhr der Güterzug 8443 infolge Ueberfahrens des Einfahrtssignal bei Nebel mit dem zu überholenden Güterzuge 8434 zusammen. Verletzt sind zwei Zug­be­am­te und ein Viehbegleiter aus Göttingen. Mehrere Wagen sind stark be­schä­digt. Der Verkehr wird durch Umsteigen aufrecht erhalten. Die Gleise werden vo­raus­sicht­lich heute Mittag frei.

Wir erfahren über den Unfall noch folgende Einzelheiten. Der Göttinger Gü­ter­zug 8434, der sonst die Station durchfährt, mußte wegen Ueberholung durch ei­nen die Strecke passierenden Sonderzug auf das zweite Hauptgleis ge­scho­ben werden. Der von Bebra auf demselben Gleis kommende Güterzug 8443 hat­te keine Einfahrt. Er überfuhr das Haltesignal und stieß auf den auf dem Gleis haltenden Güterzug 8434 auf. Der Führer des letzteren bemerkte sofort die Gefahr und gab Gegendampf, wodurch der Zusammenstoß wesentlich ab­ge­schwächt wurde. Am schwersten durch den Anprall mitgenommen wurde der auffahrende Bebraer Güterzug. Der Packwagen wurde vollständig zer­trüm­mert, mehrere dahinter folgende Wagen türmten sich aufeinander und bildeten gleich­falls einen Trümmerhaufen. Der Packwagen lag umgestülpt auf dem zwei­ten Gleis. Der Zug 8434 war weniger in Mitleidenschaft gezogen worden. Bei­de Maschinen wiesen gleichfalls starke Beschädigungen auf. Im ganzen sind elf Güterwagen zum Teil zertrümmert, zum Teil erheblich beschädigt. Schwer verletzt wurden von dem Bebraer Güterzug 8443 der Zugführer Brauer und der Schaffner Fritz Albrecht aus Göttingen. Der Viehbegleiter Halmstroh, gleich­falls aus Göttingen, wurde leicht verletzt. Die beiden schwer verletzten Be­am­ten wurden zunächst in den Warteraum des Bahnhofs Hoheneiche ge­schafft, wo ihnen der schnell herbeigerufene Arzt aus Sontra einen Notverband an­leg­te. Sie wurden darauf in die Klinik nach Göttingen überführt.

Die Unfallstelle bietet ein trauriges Bild. Arbeiter aus den Werkstätten in Esch­we­ge, Göttingen und Bebra sind unter Leitung mehrerer höherer Ei­sen­bahn­be­am­ten aus Göttingen mit den Aufräumungsarbeiten beschäftigt. Beide Gleise sind zurzeit noch gesperrt. Die D-Züge 88 und 129 wurden über Cassel ge­lei­tet, im übrigen wurde der Personenverkehr durch Umsteigen aufrecht erhalten. Man hofft, die Gleise noch nachmittags freizubekommen. Auf der Un­fall­stel­le la­ger­te eine große Menge Frachtgut, das aus den beschädigten Wa­gen ge­bor­gen wurde. Der unbeschädigte Teil des Güterzuges 8443 wurde nach Sontra gebracht. In dem Zuge befanden sich auch sechs nach Hannover bestimmte Offizierspferde mit drei Begleitungsmannschaften. Bis Elm lief der Wagen, in dem Mannschaften und Pferde untergebracht waren, direkt hinter dem Pack­wa­gen des verunglückten Zuges, dort wurde der Zug umrangiert und der Wa­gen kam an das Ende desselben. Dadurch sind die Mannschaften und Pferde unverletzt geblieben. - Wer an dem Unfall Schuld trägt, wird die ein­ge­lei­te­te Un­ter­su­chung ergeben. Der dichte Nebel, das starke Gefälle der Stre­cke und die nassen Schienen haben jedenfalls dazu beigetragen, daß der Füh­rer des Gü­ter­zu­ges 8443 seinen Zug nicht rechtzeitig zum Stehen bringen konnte.

Abschrift aus Eschweger Tageblatt vom 30.09.1909
 
Ein Eisenbahnunglück

In der Nacht vom 29. auf den 30. Sep­tem­ber 1909 ereignete sich auf der Bahn­station ein schwerer Eisenbahnunfall, in der ein von Sontra kommenden Gü­ter­zug auf einen in desselben Geleise hier haltenden Zug auffuhr. Bei der durch dichten Nebel erschwerten Aussicht hatte der Lokomotivführer des ein­fah­ren­den Zuges das gegebene Haltesignal zu spät gesehen und suchte nun seinen auf abschüssigen nebelfeuchten Geleisen schnell fahrenden Zug nach Mög­lich­keit zu bremsen. Auch der Lokomotivführer des haltenden Zuges ver­such­te denselben noch zurückzudrücken. Doch waren beide Anordnungen bei der kur­zen Entfernung unwirksam. Die große Gefahr des Zusammenstoßes er­ken­nend, sprangen beide Führer mit den Heizern ab und retteten damit ihr Leben, denn im gleichen Augenblicke stießen beide Züge zusammen. Bei dem furcht­ba­ren Aufprall drangen beide Lokomotiven in- und aufeinander und die ersten 8 Wagen des einfahrenden Zuges türmten sich zersplittert hoch aufeinander und außerdem waren noch 34 Wagen arg zersplittert, größ­ten­teils entgleist und bedeckten das erste Hauptgeleise. Zersplitterte Bretter wa­ren bis auf die Haupt­we­ge geschleudert. Durch den furchtbaren Aufprall und Stoß war der Brem­ser im letzten Wagen aus seinem Bremserhäuschen auf die Geleise ge­schleu­dert und hatte dadurch seinen Tod gefunden. Außerdem wa­ren vom Zug­per­so­nal 2 Mann schwer und 4 Mann leichter verletzt. Diese wer­den nach An­le­gung von Notverbänden in das Landkrankenhaus in Esch­we­ge, der Tote in seine Heimat überführt. Die Aufräumungsarbeiten nahmen fast 3 Ta­ge in An­spruch. Die ineinander geschobenen Lokomotiven mussten durch schwere Lo­ko­mo­ti­ven auseinander gezerrt werden. Der Personenverkehr wur­de durch Um­stei­gen aufrecht erhalten, der Güterverkehr dagegen über Bebra und Ei­chen­berg umgeleitet werden. Bei dem heftigen Zusammenstoß fuhren die mei­sten Dorfbewohner aus dem Schlaf auf und glaubten ein äußerst star­ker Don­ner­schlag hätte das Haus erzitternd gemacht. Erst als am frühen Mor­gen die Kun­de von dem Unglück das Dorf durcheilte, wanderten die Einwohner zur Un­glücks­stät­te hin, sahen die schrecklichen Verwüstungen. Auch viele Be­woh­ner der Umgegend kamen zur Besichtigung hierher.

Noch viel schrecklicher wäre das Unglück geworden, wenn ein mit Personal und allen wilden Tieren besetzten Extrazug, der erst 3 bis 4 Mi­nu­ten vorher die Sta­ti­on durchfuhr, zu gleicher Zeit eingelaufen wäre.

Eine Bildaufnahme von diesem Zusammenstoß ist in der Gastwirtschaft »zum Bahnhof« (Wenzel) ausgehängt.

Aufgeschrieben von Kantor Constantin Vöhl, Hoheneiche
(Dorfchronik Hoheneiche)
 
Zugunglück im Bahnhof Hoheneiche am 30.09.1909 (Bild 1656, Repro Saalfeld Nr. R99.17 / Sammlung Hermann Josef Friske)
Zugunglück im Bahnhof Hoheneiche am 30.09.1909
(Bild 1656, Repro Saalfeld Nr. R99.17 / Sammlung Hermann Josef Friske)
 
Zugunglück im Bahnhof Hoheneiche, Lagerhaus Raiffeisen (Stadtarchiv Eschwege Nummer Nr. 23 2272 07, Sammlung Saalfeld Nr. 239.15)
Zugunglück im Bahnhof Hoheneiche, Lagerhaus Raiffeisen
(Stadtarchiv Eschwege Nummer Nr. 23 2272 07, Sammlung Saalfeld)
 
Aufgeschrieben von Kantor Constantin Vöhl, Hoheneiche (Dorfchronik Hoheneiche, Teil 1)
Aufgeschrieben von Kantor Constantin Vöhl, Hoheneiche (Dorfchronik Hoheneiche, Teil 2)
Aufgeschrieben von Kantor Constantin Vöhl, Hoheneiche (Dorfchronik Hoheneiche)
 
Abschrift aus Eschweger Tageblatt vom 30.09.1909
Abschrift aus Eschweger Tageblatt vom 30.09.1909
 
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