Strecke 6710: Wehrebrücke in Eschwege West

Karte der Kanonenbahn

Teil 42:

Gegenlichtaufnahme am Haltepunkt Niederhone beim Sonnenuntergang am Eröffnungstag;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 12. Dezember 2009

Der Cantus »Eschwege« am Abend des Eröffnungstages;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 12. Dezember 2009

Das Feuerwerk am Bahnhofsvorplatz am Eröffnungstag;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 12. Dezember 2009

Der Bahnhofsvorplatz nach Beendigung der Feierlichkeiten am Eröffnungstag;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 12. Dezember 2009

Die Einweihung des Eschweger Stadtbahnhofs

Stellvertretend für sämtliche der am Bau beteiligten Firmen möchte der Autor zwei Schilder nennen, die fast über die gesamte Bauzeit im Umfeld des alten Bahnhofs gestanden und von den Bauarbeiten verkündet haben. Zwei Arbeitsgemeinschaften bewältigten die Bauarbeiten.

Die Arbeitsgemeinschaft Gebr. Bommhardt/Beck-Bau bauten seit dem Jahre 2006 am Bahnhofs-Umfeld, wobei sie etwa 1.300 Meter Kanalrohre verlegten, etwa 23.000 m² Asphalt verarbeiteten und etwa 7.000 Meter Bordsteine setzten.
An der zweiten Arbeitsgemeinschaft waren sogar 3 Firmen beteiligt, die aus der Firma Beck-Bau, der Firma NTG Bau sowie der Firma Strassing-Limes Bau bestanden. Diese Arbeitsgemeinschaft war für die Reaktivierung des SPNV Eschwege (Schienen-Personen-Nahverkehr) zuständig und verbaute ca. 3.500 m³ Beton, verlegte 4.700 Meter Gleis und verarbeitete etwa 25.000 Tonnen Bahnschotter. Dafür benötigen die Arbeitsgemeinschaften bis zur Eröffnung des Stadtbahnhofs etwa 50.000 Arbeitsstunden.

Am Donnerstag, den 5. De­zem­ber 2009 gab es schon einmal so etwas wie eine Generalprobe für die Einweihung des Stadtbahnhofs. Ein kleiner aber feiner Niederhoner Verein, genannt »Die Schrullen«, mit seinen 13 Mitgliedern, fuhr mit dem damaligen Bürgermeister Jürgen Zick mit einer beim Lengenfelder Kanonenbahn-Verein für das »Erlebnis Draisine« ausgeliehenen Fahrraddraisine schon einmal über einen Teil der Strecke bis zum Stadtbahnhof, um dort mit dem Bürgermeister mit einem Glas Sekt auf den neuen Bahnhof anzustoßen. Anschließend trat man mit dem Gefährt wieder die Rückfahrt nach Niederhone an.

In den letzten Tagen vor der Einweihung fuhren schon einmal ein paar Probezüge, um feststellen zu können, ob auch alle Weichen, Signale, der Fahrdraht, die Schranken vom Bahnübergang und die Lautsprecheranlage für die Ansagen richtig funktionieren.

Der Eröffnungstag vom Stadtbahnhof sollte mit einem zünftigen Bahnhofs- und Volksfest begangen werden, in das die Ansprachen der Prominenz mit eingebettet wurden.
Außerdem sollte während der Feierlichkeiten auch ein neuer Cantus-Triebzug getauft werden.

Am Samstag, den 12. De­zem­ber 2009 um 12 Uhr war es dann endlich so weit. Die am neuen Stadtbahnhof bereits zahlreich vertretene Bevölkerung wartete auf die Einfahrt des ersten Cantus im neuen Bahnhof, in dem ab Niederhone ausschließlich geladene Gäste mitfahren durften.

Im Cantus saßen außer Bürgermeister Alexander Heppe und Landrat Stefan Reuß auch Wolfgang Dippel, dem Geschäftsführer des NVVs, Dr. Thomas Kortenhaus aus dem Hessischen Wirtschaftsministerium und Veit Salzmann von der Hessischen Landesbahn sowie Hessens damaliger Verkehrsminister Dieter Posch. Mit von der Partie waren auch die Mitglieder der Marchingband Dietemann, die bereits im Zug musikalisch für beste Laune sorgte.

Pünktlich um 12 Uhr strebte der mit einer Girlande geschmückte Cantus dem Endpunkt am Eschweger Stadtbahnhof entgegen, um schließlich am Bahnsteig 1 zum Stillstand zu kommen.

Endlich war die Stadt Eschwege nach rund 24 Jahren ohne Personenverkehr auf der Schiene wieder an das Streckennetz angeschlossen.

Nachdem die Ehrengäste den Cantus verlassen hatten, wurden sie durch die Marchingband Dietemann mit Musik zum Festzelt geleitet, wo im Anschluss die Festreden zur Eröffnung des Stadtbahnhofs gehalten wurden.
Im Anschluss an die Begrüßungsreden nahm Eschweges neuer Bürgermeister Alexander Heppe, der seit dem 1. De­zem­ber 2009 im Amt ist, gemeinsam mit Hessens Verkehrsminister Dieter Posch die Taufe des neuen Triebzuges auf den Namen »Eschwege« vor, da die Amtszeit von Jürgen Zick am 30. No­vem­ber abgelaufen war.

Bei der Aktion durfte die Symbolfigur aller Eschweger, der »Dietemann«, verkörpert durch Edmund Rohrbeck, natürlich nicht fehlen. Nach der Zeremonie begutachtete die Bevölkerung das neue Fahrzeug von außen und natürlich auch von innen, bevor die regelmäßigen kostenlosen Pendelfahrten zum Haltepunkt Niederhone begannen.
Nach der Taufe des Cantus kam das Fest erst richtig in Fahrt. Die Chöre der 4. und 5. Klasse der Eschweger Waldorf-Schule sangen und die Band »Jazz Affairs« hatte einen Auftritt und auch die Kinder kamen nicht zu kurz. Eine Malaktion, Plätzchen backen, eine Bahnhofs-Rallye und ein Spielprogramm sorgte für die Unterhaltung der Kleinen. Für die Großen spendierte der NVV Give-Aways, die gleich an mehreren Ständen verteilt wurden. Ein als Schaffner verkleidetes Comedy-Künstlerpärchen sorgte für einige Späße am Rande der Veranstaltung.

Eine Eschweger Bäckerei eröffnete im Empfangsgebäude, in dem auch das neue Kundenzentrum des NVV untergebracht wurde, eine neue Filiale mit integriertem Cafe und einem Zeitungsstand. Die Verkäuferinnen hatten alle Hände voll zu tun, den Ansturm der Besucher zu bewältigen. Viele Kunden wollten nur ein Stück Kuchen »auf die Hand«, aber auch das Cafe war stets überfüllt.

Die Leute vom Kundencenter kamen auch ganz schön ins Schwitzen, die vielen Fragen der Besucher und künftigen Bahnfahrer zu beantworten, aber auch Fahrkarten wurden bereits erstanden.

Im Laufe des Fest-Nachmittags wanderten über 2.200 Stück Rostbratwürste und reichlich Steaks aus dem hauseigenen Grill von einem Regionalfleischer in die Mägen der Besucher.

Außerdem rannen unzählige Liter Glühwein, Punsch, Bier und alkoholfreie Getränke durch deren Kehlen.

Da der Autor am Eröffnungstag leider arbeiten musste, hatte er noch eine persönliche Odyssee zu erleiden. Als er mit seiner Frau dann endlich am Spätnachmittag von Reichensachsen her über Niederhone nach Eschwege zum Stadtbahnhof fahren wollte, stand am Haltepunkt Niederhone gerade der Cantus und wartete auf Fahrgäste. Geschwind hatte er seine Frau abgesetzt, damit sie schon zum Zug gehen konnte, und er hatte in der Zwischenzeit einen Parkplatz aufgesucht. Danach ist er zum Haltepunkt gerannt, aber leider nicht schnell genug.
Seine Frau saß schon im Zug, er hatte noch eben schnell das Foto vom Cantus am Haltepunkt Niederhone im Sonnenuntergang geschossen, da fuhr ihm der Zug auch schon buchstäblich vor der Nase davon. So kam mit Glück im Unglück auch noch ein zweites Foto vom Bahnsteig in Niederhone zu Stande, als der Zug gerade in Richtung Eschwege davon fuhr.
Also ist der Autor dann mit seinem Auto nach Eschwege gefahren, hatte dort seinen fahrbaren Untersatz am alten Güterbahnhof abgestellt, ist zum Stadtbahnhof gerannt, dort seine Frau gesucht, aber vergebens. In der Zwischenzeit war sie mit dem Cantus wieder zurück nach Niederhone gefahren, aber den Autor dort natürlich nicht angetroffen, also wieder zurück nach Eschwege. Als sie dort ausstieg, sah sie der Autor sofort und daraufhin ging es gemeinsam zum Bratwurststand, aber:
»Bratwurst sind alle«, so hieß es. Gottseidank wurde aber gerade eine Platte mit den letzten gegrillten Steaks in den Verkaufsstand gebracht, von denen sie dann zwei erstanden haben, also Glück im Unglück hatten.

In der Zwischenzeit hatte sich zum Cantus nach Eschwege auch noch einer in Richtung Bebra gesellt, der dann auf dem Nachbarbahnsteig Station machte.

So langsam verdunkelte sich der Himmel über Eschwege, die lange Dezembernacht brach an.

Plötzlich ein lauter Knall, etwas blitzte auf, das Feuerwerk hatte begonnen und die Leute strömten in die Richtung vom Parkhaus und Parkplatz. Der NVV hatte sich das Highlight des Abends etwas kosten lassen. Für gut 10 Minuten erfolgte ein »Aaah« und ein »Oooh« nach dem anderen, bis sich das ganze Feuerwerk buchstäblich in Schall und Rauch aufgelöst hatte.

Anschließend löste sich der Publikumsansturm auf und der Bahnhofsvorplatz begann sich zu leeren. Nur ein paar Unentwegte standen noch um den Getränkestand herum,um einige letzte Biere oder Glühweine hinter die Binde zu kippen.

Am darauf folgenden Morgen begann der Regelbetrieb. Seitdem wird der Bahnhof Eschwege-West ohne Halt »links« liegen gelassen und die Triebzüge in das neue Gleis zum Stadtbahnhof Eschwege hin einschwenken, um zunächst am Haltepunkt Niederhone anzuhalten und von dort zum Stadtbahnhof zu fahren. Auf der Rückfahrt erfolgt ein weiterer Halt in Niederhone und anschließend geht es auf der Kanonenbahntrasse durch die Südkurve in Richtung Bebra oder über die neu errichtete Nordkurve nach Göttingen.

Durch den neuen Eschweger Stadtbahnhof wurde ein kleines Stück der alten Kanonenbahn reaktiviert, wenn auch in Eschwege-West der Anschluss an die Strecke von Bebra nach Göttingen fast an der alten Stelle neu trassiert worden ist. An der Trasse stimmen die neuen Kilometerangaben mit den alten von der Kanonenbahn überein, nur die neue nur knapp 500 Meterm lange Nordkurve wird von km 0 bis km 0,5 neu angezählt.

Seit dem Hessentag in Homberg an der Efze gibt es auch dort Bestrebungen, die alte Kanonenbahn zwischen Treysa und Homberg zu reaktivieren und in den Schienen-Nahverkehr einzubinden.
Drücken wir beide Daumen, dass dieses Vorhaben keine Utopie bleibt, sondern in naher Zukunft verwirklicht werden kann.
Weiter zu Teil 43: Das Eschweger Eisenbahnmuseum

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 44:

Das Empfangsgebäude des Bahnhofs Eschwege von der Straßenseite;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske  am 9. Oktober 2006

Der Abzweig Stiebel-Eltron;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske  am 2. März 2008

Der Posten 47, rechts vorne sind noch Reste vom 2. Gleis zu sehen;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 14. Januar 2007

Die Brücke über die Bahn bei Niederhone;<br />im Vordergrund das Einfahrts-Vorsignal für den Bahnhof Eschwege-West;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 29. März 2008

Vom Bahnhof Eschwege zum Haltepunkt Ober-Niederhone

Der Bereich vom Bahnhof Eschwege begann unmittelbar hinter dem Bahnübergang bei km 45,7, wo sich die Gleise teilten und deshalb mussten bei jedem Rangiervorgang die Schranken herab gelassen werden. Die Gleise auf der linken Seite, Südseite, waren dem Personenverkehr vorbehalten, die auf der rechten Seite, Nordseite, waren für den Güterverkehr bestimmt, denn im Eschweger Bahnhof war dieser komplett vom Personenverkehr getrennt.

Nur die Zeitungen oder andere Expressgüter wurden in den letzten Betriebsjahren den Personenzügen, die von Kassel her kamen, mitgegeben. Meistens wurde am Gleis 2 entladen, da die Züge dort auch einfuhren. Nachdem Eschwege als Expreßgut-Stelle aufgegeben wurde, erfolgte diese Aufgabe von Kassel Hbf.
Dieser Zustand existierte etwa für 10 Jahre, bis am 31. Mai 1985 der letzte Personenzug fuhr.

Das Empfangsgebäude selbst wurde in den 1990er Jahren, da jetzt nicht mehr benötigt, von der DB veräußert. Da die Stadt Eschwege, obwohl daran interessiert, aus finanziellen Gründen das Objekt nicht erwerben konnte, wurde das Bahnhofsgebäude an den Waldorf Schulverein verkauft, der darin zunächst einen Waldorf-Kindergarten einrichtete. Ein Gebäudetrakt war darüber hinaus an das Organisationsteam vom »Open-Flair-Festival« vermietet, das darin Material für das jährlich stattfindende Festival lagerte. Im Jahre 2009 wurde der linke Trakt des Empfangsgebäudes, von der Straßenseite aus gesehen, aufgestockt und optisch der rechten Seite angeglichen. Dabei wurde auch das alte Vordach vom Eingangsbereich entfernt. Inzwischen von außen und auch innen gründlich renoviert, ist aus dem Gebäude nun wieder ein Schmuckstück geworden. Inzwischen ist im Gebäude nur noch der Eschweger Waldorfkindergarten untergebracht, der bei dieser Gelegenheit erheblich vergrößert wurde.
Zum Johannisfest 2010 wurde von der Stadt Eschwege das Thema Eschweger Bahnhof einst und jetzt zum Thema der Festplakette gewählt.

Der Güterschuppen, der etwa bei km 46,0 gestanden hatte, war nach dem in Leinefelde der wohl größte am Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Treysa. Außer Wagenladungen und Stückgut wurde auch Expressgut abgefertigt, wofür eine gesonderte Laderampe und in den letzten Jahren auch ein neuer Bürotrakt angebaut wurde. Neben dem Dienst im Güterschuppen gab es in den 1980er Jahren auch ein Außenbüro bei der Firma Massey Ferguson, in dem auch Dieter Rudolf aus Reichensachsen Dienst leistete und die ausgehenden Ladungen gleich an Ort und Stelle abfertigte.

Der Güterschuppen wurde im November 2006, schon einige Jahre nicht mehr benutzt, letztendlich abgerissen, um einer Straßenverbindung Platz zu machen.
Zwischen Bahnhofsgebäude und dem nicht mehr existierenden Güterschuppen hat sich noch das alte Toilettenhaus erhalten, in dem sich auch Aufenthaltsräume für das Lokpersonal befanden.
Wenn dieses Gebäude ebenfalls etwas renoviert würde, könnte es dem Bahnhofsvorplatz zum Vorteil gereichen und die ganze Umgebung aufwerten. Das Gebäude wurde zwischenzeitlich an einen Trödler vermietet, dem es als Lagerraum dient.

Auf der linken Seite schloss sich bei etwa km 46,3 (heute nur noch bei km 46,4) das Bahnbetriebswerk an. Hier wurden die Züge zusammengestellt, die Lokomotiven gewartet (in den letzten Betriebsjahren nur noch Triebwagen), anschließend auf kurzem Weg zum Bahnhof geschoben und am Bahnsteig für die nächste Zugleistung bereitgestellt.

Die Gleise wurden inzwischen alle abgebaut, nur die Überreste von den Strahlengleisen an der ehemaligen Drehscheibe sind noch erhalten. Die Grundmauern des im 2. Weltkrieg vollkommen zerstörten Rundschuppens kann man auch heute noch recht gut ausmachen.
Auf gleicher Höhe wie das Betriebswerk, das in den letzten Betriebsjahren nur noch als Lokschuppen Verwendung fand, war jenseits der Streckengleise das Gleis, das den Ablaufberg ersetzt hat, wobei die lose vor der Lok mitlaufenden Güterwaggons nur einen Anschub bekamen, von wo aus diese nun alleine auf das richtige Gleis der Zugzusammenstellung gerollt sind.

Von der ganzen Gleisanlage war zum Schluss nur noch die Gegensprechanlage und die »Kommandozentrale«, das kleine Backsteingebäude vor dem Raiffeisen-Silo am Rande der Gleise übrig geblieben.
Im ehemaligen Betriebswerk ist heute das Bahnbus-Unternehmen RKH (Regionalverkehr Kurhessen) untergebracht.

Bei km 46,2 zweigte zum Schluss noch ein Gleis in Richtung Gas-Tanklager ab, dem wohl letzten Kunden der Bahn am ehemaligen Eschweger Bahnhof. Dort hinten am Hang zur Eisenbahnstraße befindet sich zunächst der Tennisplatz vom TC 51, wo über dem Eingang zu deren Clubhaus noch ein altes Bahnhofsschild vom Eschweger Bahnhof hängt. Zwischen Tennisplatz und dem RKH steht noch das Gebäude vom Kegelclub Union, einst ein Kegelclub für Eisenbahner, in deren Gebäude sich bis 1945 die bahneigene Badeanstalt befand.
Vor diesem Gebäude sind bis heute die Prellböcke der Gleise zu erkennen, die sich bis in die 1980er Jahre links vom Betriebswerk befanden und ein Teil der ehemaligen Strahlengleise von der großen Drehscheibe vor dem Rundschuppen waren.

An die noch teilweise erhaltene große Halle des ehemaligen Betriebswerkes, die seit dem Jahre 1954 als Triebwagenhalle gedient hatte, schloss sich noch eine offene Halle an, die ebenso wie das Gebäude der ehemaligen Lokleitung, in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends abgerissen wurden.

Außer dem Streckengleis gab es noch Gleise am Raiffeisensilo und der Firma Gerlach, die teilweise auch zum Schluss noch zum Rangieren benötigt wurden. Außerdem lag das äußere Gleis vor der Güterabfertigung.

Etwa in Höhe von km 46,5 befindet sich das ehemalige Hotel Kasseler Hof, ein Gebäude aus der Gründerzeit, und unmittelbar daneben der frühere Betriebshof der Firma Ph. Gerlach, die es bei der Kohlenanlieferung einfach hatte. Die vollen Waggons wurden auf dem Gleis oberhalb des Betriebshofes abgestellt und die Kohlen wurden dann per Rutsche direkt zur Auslieferung auf den LKW verladen oder auf den Betriebshof gekippt.

Etwa bei km 46,7 trafen fast alle Gleise wieder aufeinander, nur rechts begleitete uns noch ein Ausziehgleis bis vor die Unterführung am Eingang des Industriehofs bei km 46,75. Ursprünglich an das dritte Gleis angebunden, zweigte der Schienenstrang zum ehemaligen Flugplatz bei km 46,76 nach rechts von der Strecke ab, um die B 249 zu überqueren, nachdem das Gleis über eine Rampe dorthin geführt wurde. Dieses dritte Gleis wurde wahrscheinlich verlegt, damit der Versorgungsbetrieb für den Flugplatz nicht den zweigleisigen Regelbetrieb behindern sollte. Dieses dritte Gleis führte sogar noch über den Bahnübergang beim Posten 47 hinweg und mündete ursprünglich direkt in der Kaserne für die Flakstellungen des Flugplatzes, wo es in 2 oder 3 Gleisen an einer Rampe endete. Dieser Zustand dauerte wahrscheinlich bis Mitte der 1970er Jahre, als der Streckenabschnitt zwischen Niederhone und Eschwege auf eingleisigen Betrieb zurück gebaut wurde.

Unmittelbar hinter der Brücke von km 46,75 stand bis Mitte der 1950er Jahre das Stellwerk »Ew« (Eschwege West), von dem bis heute der Sockel erhalten ist.

Eine weitere Abzweigung führt auf der linken Seite bei km 47,2 nach hinten in das Betriebsgelände von Stiebel-Eltron, früher Prometheus, hinein. Wenn die Lok von Eschwege her kam, musste vorher Kopf gemacht werden, um in das Gleis hinein zu kommen, von Eschwege-West her konnte direkt in das Gleis eingefahren werden.

Es folgte der malerisch gelegene Posten 47 mit seinem Bahnübergang, der etwa 60 Meter weiter bei km 47,26 in 167,845 Meter über Seehöhe lag. Der Posten 47, der ursprünglich als Posten 25 bezeichnet wurde, war seit der Streckeneröffnung Eschwege-Niederhone im Jahre 1875 in Betrieb und war bis zu seinem Abriss Anfang Februar 2009 voll funktionsfähig. Sogar der Höhenmeter war bis zum Schluss zu erkennen. Neben dem Parkplatz von Stiebel-Eltron steht bis heute das ursprünglich zum Posten gehörende Eisenbahner-Wohnhaus. Der romantisch gelegene Posten entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem beliebten Fotoobjekt, so dass wir uns heute noch an etlichen Aufnahmen erfreuen können. Auch wenn vom Postengebäude heute nichts mehr zu sehen ist, so können wir doch auch jetzt noch diesen, wenn auch voll automatisierten, Bahnübergang bewundern. Am Posten 47 war die Strecke mindestens bis in die 1970er Jahre dreigleisig, danach wurde das zweite Streckengleis abgebaut und es verblieb zunächst nur ein Streckengleis sowie die Anbindung der Firma Becker und Hach. Von dem ehemals 3. Gleis waren im Jahre 2006 in Höhe des Postengebäudes noch Gleisreste zu sehen, während die Schwellen noch bis zum Abriss der gesamten Strecke für den Anschluss zum Stadtbahnhof liegen blieben.
Es hat den Anschein, dass die Strecke zwischen dem Posten und dem Haltepunkt Niederhone nach der leichten Streckenkorrektur bei der Erbauung des Flugplatzes im Jahre 1936 nicht mehr grundlegend saniert wurde, da die Schwellen noch aus den 1930er Jahren stammten.

Nur knapp 150 Meter hinter dem Posten 47 erreichten wir bei km 47,4 über eine Weiche die erste Anbindung zur Firma Becker und Hach, früher Orion-Werke und bis 1945 Flak-Kaserne, die an der Einfahrt zum Betriebsgelände mit einem großen verschlossenen Tor versehen ist. Inzwischen ist die Weiche durch den Neubau der Strecke zum Stadtbahnhof verschwunden, nur ein Teil vom Zufahrtsgleis und das Stück auf dem Betriebsgelände ist noch vorhanden.

Nachdem wir bei km 47,4 die erste Anbindung der Firma Becker und Hach, früher Orion-Werke, rechterseits hinter uns gelassen haben, folgte nach einem kurzen geraden Stück entlang des Zaunes zum Werksgelände schließlich bei km 47,7 die nach rechts abgehende zweite Anbindung dieser Firma, die jedoch nach hinten abzweigte. Folglich hieß es hier auch wie bei Stiebel-Eltron Kopf machen, es sei denn, die Waggons wurden von Eschwege-West her in den Abzweig hinein geschoben. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden Anbindungen früher mit einander verbunden waren. Die Gleise dieses Anschlusses sind inzwischen komplett verschwunden.

Zwischen km 47,6 und 47,7 gab es ebenfalls Stahlschwellen aus den Jahren 1928 und 1930, bevor die Gleise der Neubaustrecke weichen mussten.

Schließlich wird die Strecke bei km 47,8 von einer Brücke überquert, die Ähnlichkeiten mit denen bei Burghofen oder nahe Küllstedt aufweist. Diese stammt aus der Zeit um 1875, als die Strecke nach Eschwege neu gebaut wurde. Die Brücke verband die Gehöfte in Niederhone mit den Feldern, die sich jenseits der Bahn befanden. Inzwischen wurde sie beim Neubau der Strecke sandgestrahlt und erstrahlt nun wieder in frischem Glanz. Hinter der Brücke macht die Strecke einen Schlenker, etwa dort befand sich früher die Abzweigung zur Waggonfabrik.

Im Sommer 2009 wurden im Rahmen des Streckenneubaues nach Eschwege die Gleise der beiden Zufahrten zum Firmengelände von Becker und Hach komplett entfernt. Nur die Rampe ist noch vorhanden. Die Brücke bei km 47,8 wurde während dieser Zeit gründlich restauriert und zum Schutz vor eventuellen Selbstmordkandidaten Schutzgitter an die Geländer in Höhe des Fahrdrahtes angebracht. Bei der Renovierung hat sich heraus gestellt, dass sich am Schlussstein des mittleren Bogens in Blickrichtung Eschwege die figürliche Darstellung eines Löwen- oder Katzenkopfes befindet.

Nachdem wir die Brücke und den ehemaligen Abzweig zur Zuckerfabrik bei km 47,9 passiert haben, treffen wir bei km 48,2 auf den ehemaligen Haltepunkt Ober-Niederhone.
Weiter zu Teil 45: Vom Haltepunkt Ober-Niederhone zum Bahnhof Eschwege-West

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 46:

Postkarte vom Bahnhof Niederhone mit der Kanonenbahn in Richtung Eschwege im Jahre 1902;<br />Stadtarchiv Eschwege, Sammlung Karlfritz Saalfeld / Sammlung Hermann Josef Friske

Der Bahnhof Niederhone um 1905;<br />Stadtarchiv Eschwege, Sammlung Karlfritz Saalfeld / Sammlung Hermann Josef Friske

Personenzug mit Preuß. P 3.2 am Bahnhof Niederhone auf der Kanonenbahnseite im Jahre 1910;<br />Stadtarchiv Eschwege, Sammlung Karlfritz Saalfeld / Sammlung Hermann Josef Friske

Postkarte vom Gasthaus Bergschlösschen am Bahnhof Niederhone um 1902;<br />Stadtarchiv Eschwege, Sammlung Otto Mayer / Sammlung Hermann Josef Friske

Der Bahnhof Eschwege bis 1945

Ursprünglich floss die Wehre, damals noch Wohra genannt, seit Jahr­hunderten in Mä­andern über das Gelände des späteren Bahnhofs Eschwege-West. Bevor hier nach 1870 die ersten Gleise verlegt werden konnte, musste der Lauf des Flüsschens zunächst erst ein neues Bett be­kommen. So fließt diese seitdem direkt am Bahnhof vorbei.

Der Bahnhof Eschwege-West, alter Name Niederhone, war einst ein Doppel-Bahnhof und befindet sich in der Mitte von zwei Bahn-Strecken. Auf der linken Seite, von Norden gesehen, verläuft auf der Ostseite noch ein letztes Gleis der Kanonenbahn und rechts, auf der Westseite, die Göttingen-Bebraer Bahnlinie. Der Bahnhof wurde am 31. Ok­to­ber 1875 als 1. Klasse-Bahnhof der Bebra-Friedländer Eisenbahn eröffnet und befindet sich bei Km 49,3 der Kanonenbahn in einer Höhe von 167,585 Metern über dem Meeresspiegel. Für diese Bahn wurde bereits beim Bau der Strecke zwischen Bebra und Niederhone eine 3,29 km lange Stichstrecke vom dortigen Bahnhof aus bis nach Eschwege verlegt, die am gleichen Tag wie der Bahnhof Niederhone in Betrieb ging, bei der der Eschweger Bahnhof bis zur Fertigstellung der Strecke bis Friedland als vorläufiger Endpunkt galt.

Die Fertigstellung der Reststrecke bis Friedland ließ nicht lange auf sich warten. Sie wurde am 15. Mai 1876 eröffnet. Die Stichstrecke und der Bahn­hof Eschwege wurden dann ab dem 15. Mai 1879 der Kanonenbahn zu­geordnet.

Schon bald nach der Eröffnung des Bahnhofes Niederhone stellte sich heraus, dass der dort errichtete Lokschuppen nicht mehr den Anforderungen gerecht wurde und wohl auch im Hinblick auf die im Bau befindliche Strecke von Leinefelde nach Treysa, die den Bahnhof Niederhone kreuzen würde, am 17. A­pril 1878 eine Ausschreibung für die Lieferung von Materialien für die Erweiterung des Schuppens um 6 weitere Stände veröffentlicht wurde.

Bereits am 18. Mai 1878 wurden an der Baustelle Kanonenbahn die Arbeiten für 17 massive Bahnwärterhäuser, sprich Strecken- oder Schrankenposten, für die Strecke zwischen Niederhone und Pfieffe, veranschlagt auf 17.500 Mark, öffentlich vergeben.

Die Bahnhöfe entlang der Kanonenbahn wurden kurioserweise mit aus Frank­reich stammenden, wahrscheinlich aus dem Fundus der Re­pa­rations­leistungen entnommenen, mechanischen Standuhren ausgerüstet. Eine dieser Uhren ist erhalten geblieben und befand sich für viele Jahre in dem kleinen Eisenbahn-Museum im Bahnhof Eschwege-West, das leider nur gelegentlich für den Publikumsverkehr öffnete. Inzwischen ist das Museum aufgelöst, die Ausstellungsstücke lagern seitdem größtenteils im Depot und warten darauf, in einem vergrößerten Eschweger Eisenbahnmuseum in neuen Räumlichkeiten gezeigt zu werden, aber leider fehlt dazu auch hier das Geld. Nur ein kleiner Teil der Ausstellung konnte bisher in dem aus allen Nähten platzenden kleinen Eisenbahnmuseum am Pommerntor in Eschwege über­nommen werden.

Im Eschweger Tageblatt und Kreisblatt Nummer 223 vom Montag, den 23. Sep­tem­ber 1895 war eine Bekanntmachung zu lesen, die folgende Bahnstrecken betraf: Cassel-Elze, Cassel-Guntershausen-Lollar, Cassel-Mün­den-Nordhausen, Treysa-Leinefelde, Ottbergen-Nordhausen sowie See­sen-Herzberg:
»Vom 1. Ok­to­ber 1895 an wird die Prüfung, Durchlochung und Abnahme der Fahrkarten an den Ein- und Ausgängen der Stationen vorgenommen und damit hierfür bestimmte Bahnsteigschaffner beauftragt werden; dem Fahrpersonal verbleibt nur noch eine Nachprüfung der Fahrausweise der Reisenden im Zuge. Der Zutritt zu dem abgesperrten Theile der Bahnhöfe und der Austritt aus denselben darf dann nur durch die hierfür besonders eingerichteten Ein- und Ausgänge genommen werden und wird nur gegen Vorzeigung eines gültigen Fahrausweises oder einer besonderen Bahnsteigkarte gestattet. Das Weitere enthält die auf den Stationen des Direktionsbezirks Cassel aushängende Bekanntmachung, auf welche hiermit aufmerksam gemacht wird.
Königliche Eisenbahndirektion«

Außerdem stand dort zu lesen, »dass während der nun beginnenden kalten Jahreszeit auf den preußischen Eisenbahnstationen viele Hunde zu Beförderung anstünden. Nach den neuesten Bestimmungen durfte die Mitnahme von großen Hunden, insbesondere Jagdhunden, in der III. Wagenabteilung nur gestattet werden, wenn die Beförderung der Tiere mit den begleitenden Personen in abgesonderten Abteilungen erfolgen würde. Ebenso könne es Jägern gestattet werden, mit ihren Hunden im Gepäck- oder Beiwagen Platz zu nehmen, wenn keinerlei Anstand bezüglich der darin verladenen Güter bestünde und im Bezug auf die persönliche Sicherheit der betreffenden Reisenden keine Bedenken bestehen würden. Der tarifmäßige Beförderungspreis sei auch in diesem Falle zu entrichten.«

Am 19. Mai 1900 wurde die zunächst im Jahr zuvor versuchsweise eingeführte Regelung, dass Ärzte, Tierärzte und Hebammen im Bereich der Preußischen Staatsbahnen auch Güterzüge benutzen durften, vom Eisenbahnminister die Fortführung der Regelung bis auf weiteres angeordnet, da während der Ver­suchsphase kein Missbrauch aufgetreten sei.

Auf der Durchreise nach Bremerhaven trafen gegen Abend des 3. Au­gust 1900 die beiden Bataillone des 4. Ostasiatischen Infanterieregimentes am Bahnhof Niederhone ein, wo diese von der größten Menschenmenge begrüßt wurden, die der Bahnhof seit langer Zeit gesehen hatte. Die Regimenter wurden anschließend von Bremerhaven aus nach Tsingtau in China verschifft, wo sie bei der Niederschlagung des Boxeraufstandes eingesetzt wurden.

Weitere Ereignisse im Jahre 1900 waren die bestandene Lo­ko­mo­tiv­führerprüfung vom Lokomotivheizer Krug II in Niederhone am 18. Sep­tem­ber sowie die Festsetzung der Tarife für die im Preußischen Eisenbahndienst tätigen Telefonistinnen. Diese erhielten nach bestandener Prüfung als Fern­sprech­gehilfinnen ab 26. Sep­tem­ber ein Gehalt von 720 Mark im Jahr.

Ab 1. Mai 1902 gab es am Bahnhof Niederhone von der Kanonenbahnseite her eine neue Zugverbindung. Nach der Einweihung der Strecke zwischen Schwebda und Treffurt am gleichen Tag fuhren nun Züge ab hier bis Treffurt, ab 13. Ok­to­ber 1907 über Hörschel sogar bis Eisenach.

Wir haben es dem Eschweger »Kaiserlichen Hofphotographen« Oscar Tellgmann zu verdanken, dass wir über ein alljährlich im Herbst auf dem Bahnhof Niederhone statt findenden Ereignis Kenntnis haben, bei dem die 20-jährigen wehrdienst-tauglichen jungen Burschen aus dem Kreis Eschwege vom Bahnhof Niederhone aus, ihren Weg in die jeweilige Kaserne antraten, um dort ihren 2-jährigen Wehrdienst abzuleisten. Im Herbst des Jahres 1905 war er mit seinem Fotoapparat zur Stelle, um das Spektakel im Bild fest zu halten. Er fotografierte die rege Betriebsamkeit auf dem Bahnhof mit den vielen Rekruten sowie den Reservisten, die ebenfalls zu Manövern einberufen wurden, da die jungen Burschen nach Beendigung ihres 2-jährigen Wehrdienstes noch weitere 5 Jahre in der Reserve dienen mussten, danach 5 Jahre in der Landwehr I, anschließend noch 7 Jahre in der Landwehr II weitere Wehrübungen ableisten durften und zu guter Letzt noch 6 Jahre dem Landsturm zur Verfügung stehen mussten. Das hieß für jeden tauglichen jungen Mann, insgesamt für 25 Jahre dem Wehrdienst zur Verfügung zu stehen. Die Rekruten wurden bereits auf dem Bahnsteig von Unteroffizieren und Feldwebeln unter die Fittiche genommen und dort mit Erbsensuppe und Speck für ihre teilweise recht lange Reise noch einmal verpflegt. Hierbei aßen die Offiziere teilweise mit größerem Appetit als die einrückenden Rekruten. An einer Theke vor dem Wartesaal wurden auch noch Getränke ausgeschenkt. Sicher hat sich so mancher Rekrut da noch etwas Mut antrinken müssen.

Im Jahre 1906 wurden am 1. Au­gust die Aufträge zur Erweiterung von 5 Dienstwohngebäuden im Bereich des Bahnhofs Niederhone vergeben und am 28. Au­gust wurde wegen fortwährenden Beschwerden betreffs des Umsteigens am Bahnhof Niederhone in Richtung Eschwege eine Eingabe an den Minister der öffentlichen Arbeit gemacht. Die Vertreter der Handelskammer in Eschwege, vertreten durch den Kaufmann Lange und den Fabrikanten Thorey, schlugen vor, von der Bebra-Göttinger Bahnlinie aus eine Verbindungskurve bei Niederhone zur Bahnstrecke Niederhone-Eschwege zu bauen, damit die Züge aus Hannover nicht über Bebra nach Eisenach fahren müssten, sondern über Eschwege und Treffurt nach Eisenach geführt werden könnten, wobei das lästige Umsteigen in Niederhone entfallen würde. Außerdem sei diese Strecke wesentlich kürzer als über Bebra.

Schließlich brannte ab 3. No­vem­ber des gleichen Jahres Elektrisches Licht in einem Teil des Bahnhofs Niederhone, die komplette Beleuchtungsanlage ging aber erst am 28. Ja­nu­ar 1908 in Betrieb. Nur auf dem Bahnsteig der Kanonenbahn brannte weiterhin die alte Petroleum-Beleuchtung.

Am 30. Ja­nu­ar 1907 wäre es beinahe zu einem schweren Unfall am Bahnübergang unweit vom »Bergschlösschen« gekommen, als der Kutscher vom Gutsherren Hupfeld aus Weidenhausen seinen Brötchengeber mit einem Schlittengespann am Bahnhof Niederhone abholen wollte. Das Pferd scheute vor den geschlossenen Schranken und sprang über diese hinweg, als der D-Zug 19.09 Uhr sich ankündigte. Der Zug konnte noch im letzten Moment gestoppt werden, aber der Schlitten war in arge Mitleidenschaft gezogen worden. Der Kutscher und sein Pferd kamen mit dem Schrecken davon.

Am 8. Au­gust des gleichen Jahres kam es im Bereich des Bahnhofs Niederhone zu einem Unfall, bei dem 2 Lokomotiven zusammenstießen. Bei dem Unfall wurde niemand verletzt.

Schließlich wurde am 13. Ok­to­ber noch die neue Bahnlinie zwischen Treffurt und Hörschel eingeweiht, auf der die Züge nun von Niederhone aus bis Eisenach fuhren, wobei sie aber in Hörschel Kopf machen mussten.

Um das Jahr 1910 gab es Malerarbeiten im Bereich des Bahnhofes Niederhone. Die Bahnsteigüberdachung wurde gestrichen. Es wäre möglich, dass diese erst gerade neu errichtet worden war, da die Überdachung auf den ersten Aufnahmen vom Bahnhof noch nicht vorhanden war.

Ab dem 9. De­zem­ber 1912 profitierten nicht nur die Lokomotiven in Eschwege, sondern auch die am Bahnhof Niederhone Wasser fassenden Loks der Strecken von Leinefelde nach Treysa und von Bebra nach Göttingen vom guten Meißnerwasser. Das Kesselspeisewasser mit seinen etwa 8 Härtegraden gegenüber den 30 bis 40 Härtegraden Werra-Pumpwasser, aus dem das Speisewasser vorher bestanden hatte, machte sich bei den Lokomotiven vorteilhaft bemerkbar, die nun bei Volldampf mit geöffnetem Regler nicht mehr spuckten. Machten die Lokführer um das Niederhoner Wasser vorher wegen seiner minderen Qualität möglichst einen großen Bogen, so beliebt und bekannt war es nun auch unter den auswärtigen Lokführern. Der Verbrauch schnellte in die Höhe und lag nun bei 1.000 m³ am Tag, die aus dem Niederhoner Wasserturm flossen.

Der Eisenbahnverein Niederhone feierte am 18. und 25. Ja­nu­ar 1913 im Saal der gegenüber des Bahnhofs liegenden Gaststätte »Bergschlösschen« den Geburtstag des Kaisers. Nachdem das Fräulein Buttlar ein Festgedicht gesprochen hatte, wurden die Gäste durch den Ober­bahn­hofs­vor­ste­her Ludwig Hofferberth herzlich begrüßt, worauf sich ein zwangloses Beisammensein anschloss.

Mit der Ermordung des Österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin in der bosnischen Stadt Sarajewo begann ein zunächst diplomatischer Prozess, der mit der Kriegserklärung an Serbien durch Österreich-Ungarn am 28. Ju­li 1914 und dem Beginn der Mobilmachung in Deutschland am 30. Ju­li in ein bis zu dieser Zeit nicht da gewesenes Fiasko endete. Der 1. Weltkrieg mit all seinen Grausamkeiten hatte begonnen, der alle Teile der deutschen Bevölkerung erfasste, die zunächst voller Euphorie und Begeisterung in ein mehr als vier Jahre andauerndes systematisches gegenseitiges Abschlachten zogen. Beim Aufmarsch der Deutschen Truppen an den Grenzen spielte die Eisenbahn eine große Rolle, wobei in unserem Raum die von Berlin nach Metz führende so genannte Kanonenbahn und auch die Bebra-Göttinger Eisenbahn eine große Rolle spielte. So war gerade der eigentlich nur kleine Verbindungsbahnhof zwischen 2 sich kreuzenden Bahnlinien betroffen, das war der Bahnhof Niederhone.

Während des Aufmarsches waren sämtliche verfügbare Personale davon betroffen, vor Allem das Lokpersonal. Betroffen waren aber auch das Rote Kreuz und verschiedene Frauenverbände, die für Verpflegung der Truppen und die medizinische Versorgung von Gefangenen und Verwundeten sorgen mussten. Während dieses Krieges mussten auch immer mehr Frauen »ihren Mann stehen« und in vielen bisher nur von Männern erledigte Arbeiten übernehmen, da diese mit zunehmendem Maße an die Front mussten. Diese Situation traf auch für die Eisenbahn zu, wo zum Beispiel Frauen sogar in der Eisenbahnwerkstätte am Eschweger Bahnhof die Schiebebühnen betätigten, aber auch als Schaffnerinnen eingesetzt wurden.

Gleich zu Beginn des 1. Weltkriegs machte am 26. Au­gust 1914 ein Güterzug auf dem Bahnhof Niederhone Station, dem ein Waggon eingestellt war, der 2 erbeutete französische Geschütze geladen hatte.

Am 10. Sep­tem­ber 1914 traf ein Zug von der Front in Frankreich mit 200 französischen Kriegsgefangenen, darunter 9 Offiziere, im Bahnhof Eschwege-West ein, wo die Soldaten verpflegt und soweit erforderlich, auch medizinisch versorgt wurden. Anschließend fuhr der Zug auf der Kanonenbahn weiter über Eschwege in Richtung Berlin.

Am Abend des 19. Sep­tem­ber 1915 fuhren drei Züge mit russischen Kriegsgefangenen durch den Bahnhof Niederhone.

Während des 1. Weltkrieges drängten mangels männlicher Arbeitskräfte immer mehr Frauen in das Berufsleben, so auch auf den Bahnhöfen Niederhone und Eschwege und so wurden ab dem 16. Ok­to­ber 1916 im Bahnhof Niederhone die ersten weiblichen Bediensteten als Schaffnerinnen und an der Sperre eingesetzt. Sogar im Güterschuppen wurde der Dienst jetzt teilweise von Frauen versehen, da sich sämtliche irgendwie entbehrlichen Männer zu dieser Zeit schon an der Front befanden. Ein besonderes Lob muss an dieser Stelle den Rotkreuz-Schwestern ausgesprochen werden, denn sie waren stets zur Stelle, wo sie dringend gebraucht wurden, wenn auch nicht immer so ganz freiwillig.

Morgens gegen 4.30 Uhr kam es am 17. No­vem­ber 1916 zu einem Unfall im Bereich des Bahnhofes Niederhone, als ein aus Bebra kommender Güterzug einem anderen Güterzug in die Seite fuhr, der gerade in Richtung Bebra ausfahren wollte. Der Lokführer des Zuges aus Bebra hatte das ordnungsgemäß auf »Halt« stehende Signal nicht beachtet.

Im Jahre 1918 zerfiel die Ordnung im Reich immer mehr, so dass es am 16. oder 17. Au­gust 1918 zu einer Wildwest-Film- reifen Szene am Bahnhof Niederhone kam. 2 junge Burschen im Alter von 20 und 28 Jahren sollen in Bebra und Sontra Einbrüche verübt haben, so war es dem stellvertretenden Bahn­hofs­vor­ste­her von Niederhone, Oberbahnassistent Seelig, zu Ohren gekommen. Da die beiden kriminellen Subjekte mit gefälschten Ur­laubs­fahr­sche­inen versuchten, den Personenzug nach Göttingen kurz vor der Abfahrt zu besteigen, wurde die Fälschung bemerkt und die beiden wurden zum Verhör ins Dienstgebäude geführt, dem sie anstandslos Folge leisteten. Während des Verhörs aber sprang einer der beiden Beschuldigten auf, lief zur Tür hinaus, gab aus einer Browning mehrere Schüsse ab und floh entlang der Wehre in Richtung Oberhone. Mehrere Eisenbahnbeamte und Arbeiter verfolgten den Flüchtling, der während seiner Flucht noch etwa 16 weitere Schüsse abgab, wovon einer in Höhe der Stegemühle abgegebener Schuss den 34 Jahre alten verheirateten Eisenbahnrangierer Georg Bachmann aus Eltmannshausen in den Unterleib traf. Dieser verstarb am 19. Au­gust an seiner schweren Ver­let­zung.
Ob der Täter schließlich noch gefasst wurde, ging aus dem Bericht nicht her­vor.

Am Bahnhof Niederhone wurde im Wagen eines Güterzuges am 26. Sep­tem­ber 1918 von Oberbahnassistent Seelig ein französischer Kriegsgefangener ent­deckt, der sich in einer Kiste versteckt hatte und darin versucht hatte, von Sten­dal aus nach Basel zu gelangen.

Ebenfalls im Jahre 1918 hatten russische Kriegsgefangene das »Vergnügen«, am Freiladegleis vom Bahnhof Niederhone einen Heizkessel zu entladen, der für das Braunkohlenkraftwerk Bransrode am Meißner bestimmt war.

Am 11. No­vem­ber 1918 war der 1. Weltkrieg militärisch gesehen durch die Unterzeichnung der Waffenstillstands-Vereinbarung durch den Zen­trums­po­li­ti­ker Matthias Erzberger zu Ende. Wirklich Frieden war aber erst am 28. Ju­ni 1919, als die Unterschriften unter den Versailler Vertrag gesetzt wurden, das für Europa einen gewaltigen Umbruch brachte und für Deutschland weit­rei­chen­de Auflagen nach sich zog und nach nur 20 Jahren in den nächsten Völkermord münden sollten.

Diese Veränderungen betraf auch die Kanonenbahn, die ihren eigentlichen militärischen Sinn, Truppen von Berlin aus schnell nach Metz verlegen zu können, mit dem Verlust von Elsass-Lothringen eingebüßt hatte. Ein weiterer Punkt war der Rückbau des, soweit vorhanden, 2. Gleises, Ausbau von ver­schie­de­nen Drehscheiben und Ausfahrtssignalen und teilweiser Rückstufung der Hauptstrecke auf Nebenbahnbetrieb mit all ihren Konsequenzen. All dieses traf vor Allem für den Streckenabschnitt von Leinefelde nach Treysa zu, der jetzt nur noch fast ausschließlich den regionalen Verkehr aufnahm, von einigen Umleitungszügen infolge Bauarbeiten an den Hauptstrecken abgesehen.

Nach dem verloren gegangenen 1. Weltkrieg trat am 1. Ok­to­ber 1919 eine allgemeine Tariferhöhung in Höhe von 50 Prozent in Kraft, das bedeutete für die billigste Tarifklasse, die 4. Klasse, eine Erhöhung von 3 Pfen­nig auf 4,5 Pfen­nig und in der teuersten Klasse, der 1. Klasse, eine Erhöhung von 18 auf 27 Pfennig pro Kilometer. Des Weiteren wurde am 22. Fe­bru­ar 1922 der Preis für die Bahnsteigkarte auf 1 Mark heraufgesetzt und für jeden Hund, der auf den Bahnsteig mitgenommen wurde, musste eine zusätzliche Bahn­steig­karte gelöst werden. Durfte der Hund dafür nun für 1 Mark Dreck auf dem Bahnsteig hinterlassen?

Am 21. Fe­bru­ar 1920 erfolgte die Funktionsprüfung des neuen Stellwerks »Nn« (Niederhone Nord) am Bahnhof Niederhone und am 12. Ju­ni des gleichen Jahres kam es zu einem tragischen Unfall, bei dem der Rangierer Wilhelm Hupfeld so unglücklich zwischen die Puffer von zwei Güterwaggons geriet, dass ihm der Brustkorb zerquetscht wurde, worauf er kurz darauf ver­starb.

Der Ober­bahn­hofs­vor­ste­her Seelig verließ am 24. März 1922 den Bahnhof Niederhone und wurde nach Bad Sooden-Allendorf versetzt. Als Ersatz kam ein Herr Schmohl aus Gensungen nach Niederhone.

Schon seit dem Jahre 1921 gab es Pläne, die jeweils 5 äußeren Stellplätze des großen Rundschuppens nach hinten zu erweitern, um größere Lokomotiven besser unterbringen zu können. Außerdem sollten gleichzeitig darin mehrere Gruben angelegt sowie ein Werkstattgebäude in der Nähe des Rundschuppens errichtet werden. Auch ein 2. und größerer Rundschuppen sollte im Rahmen dieser Erweiterungsarbeiten gebaut werden. Diese geplanten Erweiterungen wurden nur teilweise umgesetzt und dauerten bis ins Jahr 1944, als dann schließlich doch noch ein großer Rundschuppen für die neuen 44-er Dampflokomotiven errichtet wurde, wenn auch nicht dort hin, wo es ur­sprüng­lich geplant war.

Der 6. Ju­ni 1929 war ein großer Tag für den Bahnhof Niederhone und den Rangiermeister Bachmann, der an diesem Tag sein 40-jähriges Dienstjubiläum gefeiert hatte. Bahnhofsinspektor Schmohl übergab ihm die vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg sowie vom Reichsbahn-Generaldirektor Julius Dorpmüller unterschriebene Jubiläums-Urkunde im Rahmen einiger herzlicher Dankesworte.

Am 21. Fe­bru­ar 1930 kam es zu einem Brand im Bahnhofsgebäude Eschwege-West, bei dem der rechte Trakt, von der Kanonenbahn aus gesehen, in dem sich die Wartesäle mit der Bahnhofsgaststätte, sowie die Telegrafen-Abteilung befanden, ein Raub der Flammen wurde. Der Brand wurde durch den Bahnhofwirt um 4.35 Uhr entdeckt, als er über dem Wartesaal 2. Klasse eine starke Rauchentwicklung bemerkte, die wahrscheinlich von einem Schornsteinbrand herrührte. Sofort wurden die Feuerwehren aus Niederhone, Eltmannshausen, Eschwege, Oberhone und Nid­da­witz­hau­sen gerufen, die sogleich herbei geeilt kamen und unter der Leitung von Kreisbrandmeister Eduard Döhle standen. Als die Feuerwehren eintrafen, stand der Trakt bereits in hellen Flammen und man begnügte sich mit der Schadensbegrenzung. So brannte der Trakt mit Ausnahme der Telegrafenabteilung vollständig nieder. Um 6 Uhr früh erreichte der Brand seine größte Ausdehnung und erst um 8 Uhr war dieser soweit gelöscht, dass die Feuerwehren wieder abrücken konnten, mit Ausnahme der aus Niederhone, die Brandwache schob. Infolge des Brandes wurde auch der Zugverkehr behindert, so dass es zu erheblichen Verspätungen kam, der Dienst jedoch wurde in vollem Umfang aufrechterhalten. Diesen hat man in den folgenden Tagen in der Telegrafenabteilung notdürftig weiter geführt, da das Gebäude bis auf den Nordflügel eingeäschert wurde und die Wartesäle zerstört waren. Bei dem Brand entstand ein Sachschaden von mindestens 40.000 Reichsmark. Am darauf folgenden Tag begann die Firma Bödicker aus Eschwege sofort mit dem Wiederaufbau und bereits 12 Arbeitstage nach dem Brand war das Gebäude im Rohbau wieder fertig gestellt.

Im Jahre 1931 wurde auf dem Bahnhofsgelände etwa auf der Höhe der Eisenbahner-Wohnhäuser eine große Umladehalle errichtet, wo Frachtgut zwischengelagert wurde, das von der Nord-Süd-Strecke auf die Kanonenbahn umgeladen werden sollte oder umgekehrt.

Im Jahre 1934 drehte sich am Bahnhof Niederhone wieder das Personalkarussell, als der bisherige Bahn­hofs­vor­ste­her, Reichsbahninspektor Nienstedt mit Wirkung vom 1. März nach Kassel versetzt wurde. Für ihn trat der Reichsbahnobersekretär Falz aus Bad Sooden-Allendorf den Dienst als Bahn­hofs­vor­ste­her an.

Ab dem 9. Ju­li 1935 gab es ein Rauchverbot in den dafür vorgesehenen Wagen, wobei die Hälfte der Wagen oder Abteile in den Zügen sowohl in der Polster- als auch in der Holzklasse für Nichtraucher reserviert wurden.

Bis ins Jahr 1936 trug der Bahnhof den Namen Niederhone, er wurde erst im Laufe des Jahres infolge der Eingemeindung des Dorfes Niederhone in die Stadt Eschwege als Folge des Flughafenbaus auf dem Gelände zwischen beiden Orten umbenannt und erhielt dadurch den Namen Eschwege-West.

Der zweite Weltkrieg verlangte vom Personal, besonders von den Lokführern und Heizern manchmal die letzten gesundheitlichen Reserven ab, da die Lokumläufe sowie die tägliche Dienstzeit ins unendliche stiegen. Auch in diesem Krieg mussten immer mehr Frauen den Dienst der Eisenbahner ersetzen, zum Beispiel die Schaffnerin und Aufsichtsbeamtin Liselotte Kniese am Bahnhof Eschwege-West, da diese teilweise zum Kriegsdienst einberufen waren. Andere Männer wiederum wurden als Lokführer im fernen Russland oder anderen besetzten Gebieten oder sogar als Feldeisenbahner eingesetzt.

Durch das während des Krieges enorm gestiegene Personen-Beförderungs- sowie Frachtaufkommen reichte bald der alte ursprünglich 10-ständige, aber bereits in den Jahren 1879 und 1880 auf 16 Stände erweiterte Ringlokschuppen, die Drehscheibe wurde dabei von 12 auf 16 Meter vergrößert, nicht mehr aus und daher wurde in den Jahren 1943 und 1944 südlich davon ein neuer 5-ständiger Lokschuppen für große Loks gebaut und mit einer 20,50 Meter-Drehscheibe verbunden, die aber nur wenig später durch eine mit 23 Meter Durchmesser ersetzt wurde. In diesen beiden Lokschuppen befand sich das Betriebswerk vom Bahnhof Eschwege-West, hier wurden die Lokomotiven, die dort stationiert waren, auch die Güterzugloks, die auf der Kanonenbahn fuhren, gewartet. Eine Lehrlingswerkstatt und eine Bekohlungsanlage waren dem Betriebswerk ebenfalls angeschlossen.

Während des zweiten Weltkriegs stand zwischen dem Kanonenbahn-Stellwerk »EWO« und dem Stellwerk »EWS« der Nord-Süd-Strecke entlang der Gleise der beiden Strecken eine Baracke, in der die Betreuung der Deutschen Soldaten erfolgte. Hier warteten aber bald nicht nur die Soldaten, sondern auch andere Reisende, vor Allem Berufspendler, auf die immer weniger werdenden und meist verspätet eintreffenden Reisezüge, denen das manchmal lange Warten mit einer mehr oder weniger guten Tasse Fleischbrühe versüßt wurde. Die Betreuungsbaracke überdauerte wahrscheinlich das Flüchtlings-Chaos, wurde aber danach mit Sicherheit bald abgerissen.

In den letzten Wochen vor Kriegsende, als bereits ein Fahrverbot für hochwertige D-Zug-Lokomotiven erlassen war, um sie vor Tieffliegern zu schützen, kam es am 2. oder 3. März 1945, wahrscheinlich aus Mangel an anderen Loks, am Bahnhof Eschwege-West zu einer Flankenfahrt mit einer Lok der Baureihe 01.10, der 01 1067 und zwei Lokomotiven der Baureihe 56. Die 01.10-er Lok soll dabei so stark beschädigt worden sein, dass der Unfall schließlich zur Abstellung der Lok geführt haben soll.

Obwohl auch Verschiebebahnhof und an der Kreuzung von zwei Bahnstrecken gelegen, wurde der Bahnhof Eschwege-West zum Glück niemals bombardiert oder gezielt beschossen. Man begnügte sich wahrscheinlich aus dem Grunde mit dem Eschweger Bahnhof, weil die Stadt eine größere wirtschaftliche Bedeutung besitzt und während des Krieges einen Militär-Flughafen besaß, der zwar überwiegend nur als Reparaturflughafen genutzt wurde, auf dem aber auch im Frühjahr 1945 bis zur Sprengung allen Materials am 2. A­pril 1945 immer noch einsatzbereite Maschinen standen, nur der Sprit war zuletzt knapp und die Lufthoheit der Amerikaner überwältigend. Da galt es, die direkte Zufuhr von Ersatzteilen und Versorgungsgütern möglichst auszuschalten und verzichtete dadurch auf eine Bombardierung des Bahnhofs Eschwege-West. Der Bahnhof wurde gegen Ende des 2. Weltkriegs am 3. A­pril 1945 um etwa 8.30 Uhr von amerikanischen Truppen besetzt.
Weiter zu Teil 47: Der Bahnhof Eschwege-West von 1945 bis 1963

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 48:

Ein altes Stationsschild am Bahnhof Eschwege-West mit dem ehemaligen Wiegehäuschen am Ablaufberg;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 14. Januar 2007

Das neue Stationsgebäude vom Bahnhof Eschwege-West;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske im Mai 2005

Das Stellwerk Ewf;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 5. Dezember 2006

Der Schuppen für den Turmtriebwagen 701 063-0;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 5. April 2010

Der Bahnhof Eschwege-West von 1964 bis heute

Vom Rangierbahnhof aus, der in verkleinerter Form auch schon vor 1963 vorhanden war, fuhren die Güterzüge auch ursprünglich auf die Kanonenbahn in Richtung Leinefelde oder Treysa. Unmittelbar neben dem Ablaufberg befand sich die Zuckerrüben-Verladestation, die auch von einem Gleis der Kanonen­bahn aus bedient wurde. Außerdem zweigte hier ein Gleis ab, das direkt zum Wasserkran unweit vom Wasserturm führte, wie man es heute noch erkennen kann: Das Schild »Nur mit O-Wagen zu befahren« ist noch erhalten und steht vor einem Mast für den Fahrdraht.

Am Prellbock vom Gleis der Verladestation begann auch eine Schmal­spurbahn, die quer durch Oberhone zu den Gipsbrüchen oberhalb des Dorfes geführt hatte.

Aber nun der Reihe nach:
Durch die Elektrifizierung der Nord-Süd-Strecke im Jahre 1963, kamen auf den Bahnhof Eschwege-West, sowie die Gleisanlagen noch weitere Um­bauten zu. So wurden nicht nur die Signalanlagen, sondern auch, soweit mög­lich, die Stellwerke, umgebaut. Anderenfalls wurden diese durch Neubauten ersetzt.

Außerdem wurde für die Strecke ein neues Blocksystem von etwa 13 km Länge pro Block eingeführt und entsprechende Streckentelefone neu an­ge­bracht, wozu neue unterirdische Telefonleitungen erforderlich waren. Das war besonders für die Überholgleise vor den Steilstrecken notwendig, um den Be­trieb flüssig zu halten. Im Zuge der Umbauten wurden die alten Freileitungen entlang der Strecke abgebaut.

Nur auf der Kanonenbahnseite blieb im Bahnhofsbereich von Eschwege-West alles wie bisher. Die Fahrgäste mussten weiterhin die Gleise überschreiten, um zum Bahnsteig für den Gegenzug zu gelangen und auch die alten Bahn­steigkanten blieben erhalten.

In den Folgejahren machten sich immer mehr Rationalisierungsmaßnahmen bemerkbar, das traf auch auf die Bahnhöfe Eschwege und Eschwege-West zu.

Als eine Folge der Einstellung des Dampfbetriebes auf der Nord-Süd-Strecke kam es mit Wirkung vom 1. Ok­to­ber 1965 zur Auflösung des Bahn­betriebswerkes in Eschwege-West einschließlich der in einer Baracke am alten Wasserturm untergebrachten Lehrlingswerkstatt. Die zwischen Esch­wege und Kassel bzw. auf der Kanonenbahn eingesetzten Dampfloks konnten aber auch weiterhin in Eschwege-West bekohlt, entschlackt und abgeölt wer­den.

Am 1. A­pril 1968 wurden die Bahnhöfe Eschwege-West und Eschwege zu­sammengelegt und dem Eschweger Betriebsamt unterstellt, somit verlor der Bahnhof Eschwege-West seinen Bahn­hofs­vor­ste­her und die Dienststelle wurde aufgelöst. Der Letzte in der langen Reihe der Vorsteher war Herr Schaller.

Der 1. Spatenstich zum Neubau des Zentralen Stellwerks sowie des neuen Empfangsgebäudes im Bahnhof Eschwege-West erfolgte am 24. Sep­tem­ber 1968. Das neue Empfangsgebäude ging bereits im Laufe des Jahres 1969 in Betrieb, das alte wurde in der Zeit vom 7. und 17. Sep­tem­ber 1970 abgerissen. Der Bau des Stellwerkes hingegen nahm mehr als 3 Jahre in Anspruch, da auch die gesamte Technik neu angelegt werden musste. 109 Signale, sowie 86 Weichen mussten mit dem neuen Stellwerk verknüpft werden und wurden bei dieser Gelegenheit von Handbetrieb auf elektrische Bedienung umgerüstet.

Außerdem wurden noch die Schranken von 4 Bahnübergängen auf elek­trischen Betrieb umgestellt. Bei dieser Gelegenheit wurde der gesamte Block mit all seinen Signalen auf vollautomatische Steuerung der modernen Spur­plan­technik 60 umgestellt. Für diese ganze Aktion mussten mehr als 100 km Kabel neu verlegt werden, da beim Umbau auch gleichzeitig sämtliche Fernsprechanlagen des ganzen Bereiches modernisiert werden mussten. Der gesamte Umbau wurde von Seiten der DB vom technischen Bundesbahn-Oberinspektor Karl-Heinz Hohmann geleitet, während der örtliche Bauwart durch den technischen Bundesbahn-Inspektor Gerhard Dörfel vertreten war. Die Inbetriebnahme des neuen Stellwerks erfolgte schließlich am 18. und 19. März 1972. Durch die ganze Maßnahme wurden etwa 25 Arbeitsplätze eingespart. Die ausgedienten Stellwerke Ewf, Ews, Ewo und Ewn wurden anschließend in der Zeit vom 27. A­pril bis 16. Mai 1972 abgerissen. Der letzte Bedienstete des Kanonenbahn-Stellwerks Ewo war Werner Wiegand.

Beim Neubau der B 27 wurde auch die »Bahnhofsgaststätte«, das malerisch ge­legene Gast- und Pensionshaus »Bergschlösschen«, das sich in der Be­völkerung bis hin nach Eschwege und Umgebung auch als Tanzlokal großer Beliebtheit erfreute, in der Zeit vom 28. Ju­ni bis 10. Ok­to­ber 1967 abgerissen, denn das Haus stand der neuen B 27 im Wege. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Bahnübergang am Stellwerk »Ewn« beseitigt, der mit seinem Stellwerk eine malerische Kulisse für etliche Fotos geliefert hatte. Selbst der bekannte Eisenbahnfotograf Carl Bellingroth hat den Bahnübergang im Jahre 1951 fotografisch festgehalten.

Am 17. März 1973 durchfuhren im Bereich des Bahnhofs Eschwege-West in 24 Stunden immerhin noch 100 Züge auf der Kanonenbahn in östlicher oder westlicher Richtung, während es auf der Hauptstrecke etwa 280 Züge pro Tag waren. Bereits ein Jahr darauf sollten es weniger werden, denn mit der Einstellung des Betriebes zwischen Eschwege und Treysa am 25. Mai 1974, dem Wegfall der VT 98 auf der Strecke und dem Güterverkehr in diese Richtung ab 26. Mai fiel der Bahnbetrieb schon wesentlich geringer aus.

Am 2. Ju­ni 1973 wurde dann auch die letzte planmäßige Dampflok im Bahnhof Eschwege-West gesehen, da an diesem Tage mit der letzten Dampflokfahrt zwischen Eschwege und Kassel der Dampfbetrieb in der DB-Direktion Kassel eingestellt wurde. Bis zum allgemeinen Dampfverbot auf allen DB-Strecken Ende Oktober 1977 wurden aber immer noch einige dampfbespannte Sonderfahrten durchgeführt.

Die Güterabfertigung Eschwege-West, die bereits seit dem Jahre 1970 geschlossen war, wurde in der Zeit vom 22. bis 25. A­pril 1975 von der Firma Heinrich Mandt aus Baunatal abgerissen. Sie befand sich auf der gegenüber liegenden Seite von der Nord-Süd-Strecke an der B 27. Nur die Freiladerampe blieb bis zum heutigen Tag erhalten.

Mit dem 1. Sep­tem­ber 1975 endete eine weitere Ära am Bahnhof Esch­wege-West. Der Umladedienst für Dienstpost, Gepäck und Expressgut zwischen der Hauptstrecke und der Kanonenbahn bzw. der Kasseler Strecke fand nicht mehr statt, außerdem wurden keine Züge auf der Hauptstrecke mit diesen Gütern be- oder entladen.

Die Vermittlungsstelle der Deutschen Bundesbahn im Zentralstellwerk des Bahnhofs Eschwege-West wurde am 4. No­vem­ber 1976 außer Betrieb gesetzt und somit sämtliche Postleitungen abgeschaltet. Dafür wurde am 3. Ja­nu­ar 1977 der Zugbahnfunk auf der Strecke von Bebra nach Eichenberg in Betrieb genommen.

Im Jahre 1982 kreuzten auf der Hauptstrecke pro Tag 278 Züge den Bahnhof Eschwege-West, somit blieb dort die Anzahl der durchfahrenden Züge seit dem Jahre 1973 nahezu konstant, während es im Jahre 1983 mit 273 Zugfahrten am Tag schon weniger wurden.

Ab April 1984 wurde am Fahrkartenschalter vom Bahnhof Eschwege-West die Schalterstunden reduziert und war nun wochentags von 6.10 Uhr bis 7.45 Uhr sowie ab 8.45 Uhr bis 19.50 Uhr geöffnet. An den Sonntagen öffnete der Schalter in der Zeit von 11.00 Uhr bis 18.50 Uhr, während er an den Samstagen geschlossen blieb. Das war wohl schon im Hinblick auf die Veränderungen geschehen, die ab den 3. Ju­ni 1984 greifen sollten:
Ab dem Sommerfahrplan fielen an der Hauptstrecke D-Zug-Halte in Eschwege-West und Bad Sooden-Allendorf ersatzlos weg und an der Kanonenbahn wurde der Reisezugverkehr an den Samstagen vollständig eingestellt. Die Fahrgäste mussten sich schon mal an das Busfahren gewöhnen, das bald darauf auf sie zu kommen sollte.

Bereits im Oktober 1984 wurden dann vollendete Tatsachen geschaffen. Das Bundeskabinett in Bonn hatte der völlige Einstellung des Personenverkehrs auf der Strecke zwischen Eschwege und Kassel zugestimmt. Obwohl oftmals auf der Strecke zwischen Hessisch Lichtenau und Eschwege Geisterzüge fuhren oder lediglich mit einer Hand voll Fahrgästen besetzt war, wurde durch die öffentliche Hand, angefangen vom Landrat Eitel O. Höhne bis hin zu den Parteien und Stadtparlamenten der Anrainer-Gemeinden, heftig dagegen protestiert. Sogar die Gewerkschaften bliesen in dieses Horn.

Schon 11 Jahre nach der Einstellung des Verkehrs auf der Kanonenbahn zwischen Waldkappel und Malsfeld, sank die Zahl der Zugfahrten auf der Kanonenbahnseite infolge der Betriebseinstellung auf der Strecke zwischen Eschwege und Kassel ab 1. Ju­ni 1985 im Bereich des Bahnhofes Eschwege-West auf nahezu 0, da mit diesem Tag auch die Triebwagen und Diesel gezogenen Züge zwischen Eschwege und Kassel sowie die Pendelzüge, in der Regel ein solo fahrender Triebwagen, zwischen Eschwege und Eschwege-West, weg fielen.

Von diesem Tag an wurde nur noch die Eschweger Güterabfertigung sowie der Industriehof regelmäßig bedient, außerdem wurden noch einzelne Waggons oder gelegentliche kurze Güterzüge nach Wanfried oder Waldkappel geschoben, aber auch damit war nach wenigen Jahren Schluss, denn der Güterverkehr nach Waldkappel endete mit dem 31. De­zem­ber 1992, nur 2 Jahre später folgte Wanfried am 30. Sep­tem­ber 1994 und schließlich die Eschweger Güterabfertigung am 31. Mai 1995.

Danach erfolgten noch gelegentliche Wagenladungen bis 31. Au­gust 2002 in Richtung Eschwege.

Seitdem lag die Strecke dorthin brach und ist langsam aber sicher zugewachsen.

Nach dem Jahre 1985 wurde das Gleis 21 auf der Kanonenbahnseite vom Bahnhof Eschwege-West abgebaut, das Gleisbett zwischen den Bahnsteigkanten zugeschüttet und seitdem gab es nur noch ein einziges Gleis in Richtung Eschwege.

Fuhren auf der Hauptstrecke in den 1980er Jahren immer noch einige hochwertige Züge, selbst wenn diese nicht in Eschwege-West hielten, so war auch damit bald Schluss und auf der Strecke dominierten die E-Lok gezogenen Regionalzüge, die von den Wendezügen abgelöst wurden, die dann mit ihren lediglich 2 Silberlingen dann geschoben wurden. Zunächst gab es aber noch einige Interregio-Züge, wie zum Beispiel den mit 6-minütiger Verspätung abfahrenden IR 1682 nach Göttingen.

Waren es Mitte der 80er Jahre sogar noch regelmäßig ehemalige TEE-Triebzüge als Reisebüro-Sonderzüge die über die Strecke von Bebra nach Göttingen verkehrten und somit auch am Bahnhof Eschwege-West zu sehen waren, so fuhren mit dem Fahrplanwechsel am 1. Ju­ni 1991 letztmalig auch Fernzüge über diese Strecke.

Unter anderem handelte es sich um die letzte Durchfahrt von IC 693 Hohenstaufen von Hamburg-Altona nach München um 9.45 Uhr, den IC 583 von Hamburg-Altona nach München um 10.09 Uhr, den IC 676 Markgraf von Karlsruhe nach Hamburg-Altona um 10.19 Uhr, den EC 75 Tiziano von Hamburg-Altona nach Milano um 10.45 Uhr mit 10-minütiger Verspätung, da laut Fahrplan Durchfahrt um 10.35 Uhr und um 10.50 Uhr der IC 686 Veit Stoss von München nach Hamburg Altona.
Mit Beginn des Sommerfahrplans gehörten diese hochwertigen Züge endgültig der Vergangenheit an.

Im Laufe der 1980er Jahre war am Bahnhof Eschwege-West eine Motordraisine der Baureihe KLV 12 stationiert, die 12.4681, die Rotten-Personal als auch geringe Mengen an Arbeitsmaterial auf schnelle Art und Weise zum jeweiligen Einsatzort bringen konnte. Sie wurde auch bei Servicearbeiten an Schranken-und Weichenanlagen eingesetzt. Die Draisine war im BW Fulda beheimatet, für 6 Personen zugelassen, besaß eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h, die letzte REV fand damals im Jahre 1982 statt und die nächste wäre im Januar 1987 fällig gewesen. Meistens stand das Gefährt, wenn es gerade nicht gebraucht wurde, am Prellbock eines Abstellgleises, das sich zwischen der Kanonenbahn und der Bebra-Göttinger Bahn befand.

Nach der Elektrifizierung der Strecke von Bebra nach Göttingen im Jahre 1963 wurde am Bahnhof Eschwege-West eine Außenstelle der Fahrleitungsmeisterei eingerichtet, die für die Wartung des Fahrdrahtes einen Turm-Verbrennungs-Triebwagen der Baureihe VT 55 erhalten hatte, für den extra zur Unterstellung über Nacht und an den Wochenenden ein Schuppen errichtet worden ist. Das Gefährt besaß ursprünglich eine purpurrote Lackierung, wurde aber später in gelb umlackiert und wurde dann bei der DB unter der Baureihe 701 weiter geführt. Das Fahrzeug in Eschwege-West lief unter der Nummer 701 063-0.

Schließlich wurden die inzwischen nicht mehr benötigten Rangiergleise mit dem Ablaufberg auf der Kanonenbahnseite vom Bahnhof Eschwege-West in der Zeit zwischen Ende 1997 bis zum Frühjahr 1998 abgebaut.

Wo bisher immer noch leere Waggons zum Rücktransport oder ausgediente Güterwagen gesammelt wurden, sind die Gleise verschwunden, ebenso der Berg und die sonstigen Gleise der Kanonenbahn, nur ein Durchgangsgleis war jetzt am Bahnhof noch vorhanden, das mit einer einzigen Weiche von der Hauptstrecke her noch erreicht werden konnte. Dieses lag bis auf gelegentliches Abstellen von Waggons oder Baufahrzeugen brach, ansonsten wartete das Gleis auf die neue Anbindung des Stadtbahnhofs Eschwege an die Bebra-Göttinger Strecke.

Der Fahrkartenschalter im Bahnhof Eschwege-West wurde am 31. Au­gust 1998 nach jahrelangen Schließungs-Androhungen und Öffnungszeit-Verkürzungen für immer geschlossen. Der letzte Schalterbeamte im Bahnhof Eschwege-West war Reiner Mayer, man kann fast sagen, er war der letzte Mohikaner. In den letzten Jahren vor der Schließung des Schalters ließ er seine tägliche Dienstzeit freiwillig um die Hälfte reduzieren, um damit seinen Beitrag zu leisten, den Schalter zu erhalten, aber die DB und der NVV spielten nicht mit. Obwohl Reiner Mayer seine Umsätze beibehielt, wurde der Schalter dicht gemacht.

Nach der Schließung des Schalters in Eschwege-West wurde Reiner Mayer an den Bahnhof Bad Sooden-Allendorf versetzt, wo er ebenfalls als einziger Schalterbeamter in reduzierter Stundenzahl seine Schalterstunden abhielt. Auch dieser Schalter ist inzwischen geschlossen.

Seit der Schließung des Fahrkarten-Schalters arbeiten nur noch vier Personen im Bahnhof Eschwege-West, und zwar auf dem Stellwerk, dieses aber in drei Schichten rund um die Uhr.

Einer der Fahr­dienst­lei­ter auf dem Stellwerk, an dem täglich im Jahre 2005 etwa 180 Züge pro Tag vorbei fuhren, war Reinhold Gries, dessen Zuständigkeitsbereich sich von Hoheneiche bis Bad Sooden-Allendorf erstreckte.

Bis zum 9. De­zem­ber 2006 fuhren die roten Triebzüge der DB-Baureihe 425 auf der Strecke zwischen Bebra und Göttingen, ebenso auf anderen Strecken des NVV (Nordhessischer Verkehrs-Verbund), aber seit dem 10. De­zem­ber 2006 wechselte die Betreiber-Gesellschaft, die inzwischen auch den Fahrzeugpark stellt. An die Stelle der DB-Regio trat die Cantus-Verkehrsgesellschaft mbH, Kassel-Wilhelmshöhe, an der die Hamburger Hochbahn-AG und die Hessische Landesbahn zu je 50 % beteiligt sind. Die neuen blauen Komfort-Triebzüge mit dem orangefarbigen Streifen, genannt »Flirt«, inzwischen allgemein nur noch Cantus genannt, werden für die kommenden Jahre auf den Strecken in Nordhessen verkehren und sind somit auch seit dem 12. De­zem­ber 2009 auf dem neuen Gleis zum Stadtbahnhof in Eschwege zu sehen.

Das Gelände, auf dem sich früher die Bahnsteige der Kanonenbahn sowie der Güter-Rangierbahnhof befand, ist heute weitgehend eingeebnet und mit Schotter von den ehemaligen Gleisen verfüllt, nur an einer Stelle ist noch ein Loch übrig geblieben, in das man einfach den Kilometerstein »49,6«, sowie zwei Gebotsschilder zum Signal geben hinein geworfen hat, ansonsten sind nur noch die Steine »49,1« und »49,3«, sowie »49,8« und »49,9« auf dem Gelände erhalten geblieben, die anderen sind bereits, ebenso wie die Gleise, verschwunden.

Bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof am Ende des Ablaufberges ist noch der Kilometerstein von km 50 erhalten, nur etwa 30 Meter weiter überquert die Landstraße zwischen Oberhone und Eltmannshausen die Bahn.

Im Herbst 2008 tat sich etwas auf der Kanonenbahnseite des Bahnhofsbereichs. Lange rote Abtrennungen wurden gezogen, Sandhaufen abgekippt und unebenes Gelände planiert. Die von verschiedenen Umbauaktionen her rührenden hohen Stapel alter Holzschwellen wurden endlich abgefahren, weil sie die nun anstehenden Bauarbeiten sonst behindert hätten.

Gab es im Februar 2008 noch eine Zufahrt vom Ausweichgleis zur Kanonenbahn bei km 49,9, so wurde dieses beim Bau eines neuen Ausweichgleises für die Hauptbahn total entfernt, gemeinsam mit dem alten Kanonenbahngleis. Vorher wurde etwas versetzt zum alten Kanonenbahngleis, das im Bereich des Bahnhofs komplett abgebaut worden ist, ein neues provisorisches Gleis verlegt, wobei die Grenze von dem DB-Gleisende zum Gleis der Hessischen Landesbahn genau fixiert wurde. Diese Grenze befindet sich am Streckenkilometer km 49,9. Als erstes wurde entlang der neuen Strecke der Untergrund mit Sand bestückt, auf dem später dann der Schotter aufgetragen wurde.

Am 24. Mai 2008 lagen im provisorischen Gleis bereits die endgültigen Schienenstücke bereit, die darauf warteten, verlegt zu werden. Diese waren, nachdem das neue Kanonenbahngleis an das neue Ausweichgleis angeschlossen worden war, bis zum 9. Au­gust 2008 schließlich verlegt und es wurden an diesem Tage schon die anstehenden Restarbeiten durchgeführt. Bis zum 6. Sep­tem­ber war zwischenzeitlich auch der Fahrdraht gezogen und die Strecke zum neuen Eschweger Stadtbahnhof war soweit fahrbereit.
Zum Schluss wurde noch die Signaltechnik an der neuen eingleisigen Strecke nach Eschwege installiert.

Was dann für den neuen Stadtbahnhof ein Freudentag, war für den Bahnhof Eschwege-West der Abgesang.
Am Samstag, den 12. De­zem­ber 2009 hielten dort am Bahnsteig die letzten Cantusse des NVV und ab der Nacht zum Sonntag, den 13. De­zem­ber 2009 gehörte der Bahnhof Eschwege-West der Vergangenheit an.

Seit diesem Tage halten am Bahnhof Eschwege-West nur noch Güterzüge, die wegen der Betriebsführung am Übergang zum Kanonenbahnstück vom Eschweger Stadtbahnhof her dem Cantus in Richtung Bebra Vorrang gewähren müssen oder andere sehr langsam fahrende Güterzüge, die durch schnell fahrende Güterzüge überholt werden.

Gelegentlich kann es auch vorkommen, dass am einzig verbliebenen Abstellgleis, das entlang der B 27 verläuft, noch Holz verladen wird oder dass Bauzüge über Nacht oder übers Wochenende dort abgestellt werden.

Nach dem letzten Halt eines Triebzuges am Bahnhof Eschwege-West wurden die Zugänge zu den Bahnsteigen und zu den Unterführungen zugemauert, zunächst konnte die Unterführung aber noch als Durchgang vom Ortsteil zur Bushaltestelle Eschwege-West genutzt werden.

Ostern 2010, genau genommen vom Karfreitag, den 2. A­pril 2010 bis Ostermontag, den 5. A­pril 2010 gab es wegen Gleisum- und Rückbauten im Bahnhofsbereich ein erstes Mal nach der Aufgabe des Bahnhofs zu Schienenersatzverkehr auf der kompletten Strecke zwischen Bebra und Eichenberg, während es am Wochenende 23. und 24. Ok­to­ber 2010 nochmals zum Ersatzverkehr mit Bussen wegen End- und Stopfarbeiten an den Gleisen zum Eschweger Stadtbahnhof sowie deren Anschlüsse zur Hauptbahn kam.

Ostern 2011 kam es in der Zeit von Karfreitag, den 22. A­pril bis Ostermontag, den 25. A­pril 2011 erneut zu Gleisbauarbeiten am Bahnhof Eschwege-West, verbunden mit Schienen-Ersatzverkehr. Die Streckengleise in Richtung Bebra mit dem Weichen vom Stadtbahn-Anschluss bis zum Bebraer Streckengleis wurden erneuert und die alte Weiche mit dem Anschluss an das stillgelegte Teilstück in Richtung Kassel wurde ausgebaut. Dabei musste natürlich auch infolge der veränderten Gleisführung der Fahrdraht neu gezogen werden. Die Arbeiten wurden von der Firma H. F. Wiebe aus Achim durchgeführt.

Für weitere Gleisbauarbeiten wurde erneut ein Wochenende benötigt, das Fronleichnamswochenende vom 23. bis 26. Ju­ni 2011 bot sich dafür an, weil am Bahnhof Eschwege-West die Streckengleise sowie einige Weichen erneuert werden mussten. Dieses Mal gab es keinen Ersatzverkehr, sondern der Güterverkehr wurde lediglich über die Ausweichgleise um die Baustelle herum geführt, wobei es aber immer wieder zu Wartezeiten kam. Seitdem liegt der Bahnhof brach, lediglich die Leute im Stellwerk haben wegen der Durchleitung des Cantus und dem damit verbundenen Betriebshalt der Güterzüge auf dem Bahnhof Eschwege-West mehr Arbeit bekommen.

An die großen Zeiten des Bahnhofes Eschwege-West erinnern heute nur noch die alten Eisenbahner-Wohnhäuser, die beiden Lokschuppen und das Stellwerk.
Weiter zu Teil 49: Das Ende vom Bahnhof Eschwege-West

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 50:

Postkarte aus Eschwege-West mit dem Inneren der alten Bahnhofsgaststätte, verschickt im Jahre 1953;<br />Stadtarchiv Eschwege / Sammlung Hermann Josef Friske

Das Ende vom Bahnhof Eschwege-West

Alles begann mit einer Kantine in der Nähe von Eltmannshausen, die von den Eheleuten Karl-Friedrich-Wilhelm Pfaff und seiner Frau Auguste, geb. Mangold, für die Arbeiter vom Bahnbau an der Bebra-Friedländer Eisenbahn vor 1870 eröffnet wurde. Da dort kurz hintereinander zwei verschiedene Bahnstrecken gebaut wurden, ging der Betrieb in etwa ineinander über. Dabei verdienten sie so gut, dass sie sich bald darauf in Reichensachsen an der Landstraße ein älteres mehrstöckiges Fachwerkhaus kaufen konnten, das vorher den Eheleuten Schaumberg gehört hatte und aus dem nach dem frühen Tod ihres Mannes und der Wiederverheiratung im Jahre 1877 mit dem aus Pommern stammenden Seilermeister Julius Seibert später das Gasthaus Seibert wurde.

Die ersten Gastronomen der Bahnhofsgaststätte im alten Bahnhofsgebäude vom Bahnhof Eschwege-West sind leider nur sehr lückenhaft festgehalten worden, wodurch sich kein komplettes Bild in der Reihenfolge der Wirte ergibt. Zum Beispiel ist nicht erhalten, seit wann es dort eine Bahnhofsgaststätte gegeben hat.

Der erste bekannte Bahnhofswirt, ein Herr Eisenhuth, Vorname unbekannt, scheint jedoch die Gaststätte kurz nach dem Jahre 1892 übernommen zu haben. Fest steht, dass dieser Herr Eisenhuth am 5. No­vem­ber 1912 die Gaststätte der Station Niederhone nach fast 20-jähriger Tätigkeit verlassen hatte und anschließend nach Kassel verzogen ist. Wer sein Nachfolger war, wurde in diesem Zusammenhang nicht genannt. Eisenhuth scheint jedoch recht gut verdient zu haben, wenn er es fast 20 Jahre lang in der Gaststätte ausgehalten hat, wenn man nur an das jährliche im Herbst stattfindende Spektakel mit den einberufenen Rekruten und Reservisten auf dem Bahnhofsgelände denkt, die dort vor Antritt ihrer Reise zu den Kasernen nochmals ausgiebig mit »Speis und Trank« versorgt wurden. Selbst wenn die Erbsensuppe vom Militär bezahlt wurde, so hat Eisenhuth doch nicht schlecht an den Getränken verdient.

Wer die Bahnhofsgaststätte in den Jahren 1913 bis 1920 geleitet hatte, blieb bisher unbekannt. Es wäre auch möglich, dass die Gaststätte während der Kriegsjahre von 1914 bis 1918 nicht besetzt war, da es für einen Wirt in dieser Zeit kaum etwas zu verdienen gab und die Verpflegung der Durchreisenden mehr oder weniger durch das Rote Kreuz organisiert wurde.

Nach den Ersten Weltkrieg taucht erst im Jahre 1921 mit dem Namen M. Winter ein neuer Wirtsname auf, allerdings ohne jegliche weitere Angaben.

Seine Nachfolge trat Friedrich Dippel an, leider sind auch hier keine weiteren Daten bekannt, er führte das Lokal jedoch wahrscheinlich bis Ende 1945.

Welcher Bahnhofswirt es war, der bei dem Brand im Bahnhofsgebäude am 21. Fe­bru­ar 1930 um 4.35 Uhr in der Frühe die starke Rauchentwicklung über dem Wartesaal 2. Klasse bemerkt hatte, wird in der Beschreibung des Brandherganges leider nicht erwähnt. Ihm ist es jedoch zu verdanken, dass ein noch größerer Schaden vermieden werden konnte, da er sofort die Feuerwehr alarmiert hatte.

Nach dem 2. Weltkrieg war seit Januar 1946 Karl Richter der erste Wirt in der Bahnhofsgaststätte, die er von Friedrich Dippel übernommen hatte und bis Ende 1970 geführt haben könnte. Wahrscheinlich ist er im Laufe des Jahres 1969 mit seiner kompletten Gaststätte in die dafür vorgesehenen Räumlichkeiten des neuen Empfangsgebäudes umgezogen.

Anschließend war Gudrun Albrecht für die Dauer von zwei Jahren, in 1971 und 1972, für die Gaststätte verantwortlich.

Ein kurzes Zwischenspiel, wahrscheinlich in der Zeit von Anfang Januar bis Ende September 1973, gab noch ein Italiener namens Cosalter, oder ähnlich, als Wirt in der Bahnhofsgaststätte.

Danach übernahm Frau Ursula Otto ab Oktober 1973 die Bahnhofsgaststätte Eschwege-West, um diesen Betrieb bis September 1979 zu führen. Frau Otto machte einen Riesenumsatz an extralangen Bockwürsten mit Kartoffelsalat, die sie unter die Leute brachte, indem sie diese am Bahnsteig den Fahrgästen der in Eschwege-West haltenden Züge direkt zum Fenster hinein reichte. Da musste man schon sehr flink sein, um in der kurzen Zeit alle Wünsche zu erfüllen, aber auch die Gaststätte selbst war stets gut besucht, da es immer noch genügend Fahrgäste gab, die auf ihre Fernverbindung warten mussten. Während der Zeit, in der Frau Otto die Gaststätte geführt hatte, fiel auch die Einstellung des Betriebes auf der Strecke Eschwege-Treysa, die auch Einbrüche im Gaststättenbetrieb gebracht hatten, da es noch etliche Fahrgäste gab, die in Eschwege-West auf diese Strecke umsteigen mussten und dort Aufenthalt hatten.

Am Ende ihrer ära übergab Frau Otto die Gaststätte im Oktober 1979 an Frau Christa Zeidler, die lediglich für die Dauer von 3 Monaten bis Januar 1980 durchhielt danach wahrscheinlich wegen Gästemangel aufgab.

Nach ihr kam im Februar 1980 dann noch als allerletzter Bahnhofswirt in Eschwege-West Horst Schmidt ins Spiel, der aber ebenfalls mangels Gästen bereits im September 1980 das Handtuch warf.

Danach wurde die Gaststätte nicht mehr neu verpachtet.
Weiter zu Teil 51: Vom Bahnhof Eschwege-West zur schiefen Brücke

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 52:

Die schiefe Brücke;<br />fotografiert am 6. April 2003 von Hermann Josef Friske

Der Abbaukran nach getaner Arbeit;<br />fotografiert am 31. Juli 2006 von Hermann Josef Friske

Die übrig gebliebenen Widerlager von oben;<br />fotografiert am 31. Juli 2006 von Hermann Josef Friske

Die Widerlager der Brücke;<br />fotografiert am 16. März 2008 von Hermann Josef Friske

Die »Schiefe« Brücke

Die Schiefe Brücke, die eigentlich korrekterweise »Die Überquerung der Bebra-Friedländer Eisenbahn« heißen müsste, überquerte aber nicht nur die Bahn, sondern gleichzeitig die Chaussee von Nid­da­witz­hau­sen nach Rei­chen­sach­sen, die heutige B 27, in einem schiefen Winkel von etwa 31 ° und einer Steigung von 1 : 130. Die Höhendifferenz zwischen den beiden Bau­werken betrug an den Schienenoberkanten 5,98 Meter, wobei die Durch­fahrtshöhe lediglich 4,50 Meter betrug.

Für die lichten Weiten des Bauwerks war ausschlaggebend, dass sowie die Bahnstrecke als auch die Chaussee in einer jeweiligen Breite von 9 Meter überquert werden sollten, das bedeutete in der Bahnachse gemessen eine Weite von je 17,382 Meter.

Beim Bau bereitete der Untergrund keine besonderen Schwierigkeiten, da dieser im Tal der Wehre gelegen, aus einem festen Kiesbett bestand. Die Kostenrechnungen hatten ergeben, dass es am sinnvollsten wäre, einen Mittelpfeiler zu errichten und da die höchstmögliche Höhe lediglich ein Dreizehntel der Stützweite von 19,50 Meter betrug, einen eisernen Überbau aus Blechträgern für die Überquerung der Bebra-Friedländer Bahn zu wählen. Da die Überquerung in einer S-Kurve erfolgte, mussten die jeweils inneren Hauptträger um 3 cm tiefer liegen.

Diese Hauptträger waren in 3,10 Meter Abstand zueinander angeordnet und besaßen bei ihren 19,50 Meter Stützweite eine Höhe von 1,50 Meter bei 12 mm Blechstärke. Sie besaßen Winkeleisen mit 120 x 120 x 13 mm und drei Deckplatten von 252 x 13 mm. Der Nettoquerschnitt betrug somit 152,60 cm².

Um die Hauptträgerwände zu versteifen, wurden an den Quer­trä­ger­anschlüssen je 2 waagerechte Winkeleisen angebracht.

Der Überbau wurde auf dem Mittelpfeiler fest verankert und wurde für eine Schienenlänge von 7 Meter ausgelegt. Daher mussten die Querträger in 3,50 Meter Abstand zueinander angeordnet werden, so dass sich außer den Endschwellen-Trägern stets gleichlange Schwellenträger ergaben. Dadurch wurde eine gleichmäßige Verteilung der Schwellen auf den Trägern erreicht.

Die Auflager der Hautträger wurden durch 10 mm starke Bleche, die an den Anschlüssen mit 36 cm die Höhe der freiliegenden Hochwand und an den Endstücken mit 1,18 Meter die Höhe der Hauptträger besaßen, mit 2 einfassenden Winkeleisen mit 72 x 72 x 10 mm fest miteinander verbunden. Das waagerechte Blech der Endverbindung wurde direkt gegen die Blechwand der Außenträger gelegt.

Das Gewicht eines Überbaus für eine Öffnung betrug an Gusseisen 335 kg und an Schmiedeeisen 25.334 kg.

Die Gesamtkosten für das Bauwerk, bei dem zunächst nur ein stählerner Überbau realisiert wurde, betrugen 46.123 Mark.

Obwohl keine genauen Daten zu finden sind, geht der Autor davon aus, dass das Bauwerk, wie auch die Vierbachbrücke bei Reichensachsen, in den Jahren 1877 und 1878 errichtet wurde.

Im Jahre 1931 hatte die alte Brücke ausgedient, da diese den Anforderungen der damaligen Zeit mittlerweile nicht mehr gewachsen war und die Widerlager aus Sandstein durch die ständige Beanspruchung inzwischen brüchig geworden waren. Zunächst wurde der obere Bereich der alten Widerlager, auf denen die bisherige Brücke aufsaß, abgetragen, und dort, wo die neue Brücke entstehen sollte, in Stahlbeton neu ausgegossen. Dabei wurde an der Westseite das linke Widerlager komplett neu gegossen, während beim Pfeiler und am Widerlager der Ostseite nur die obere Hälfte der Seite, die die neue Brücke aufnehmen sollte, in Stahlbeton erneuert wurde.

Die neue Brücke war, da die Möglichkeiten durch die geringe Durchfahrtshöhe begrenzt waren, ebenfalls eine flache Blechträger-Konstruktion, die im oberen Bereich eine Wannenkonstruktion enthielt, die unten sogar einen Abfluss für das Regenwasser besaß. In der Wanne fand das komplette Schotterbett seinen Platz, auf dem dann das Gleis verlegt wurde.

Bevor am 24. Mai 1963 mit dem elektrischen Betrieb auf der Bebra-Göttinger Bahn begonnen werden konnte, mussten an der schiefen Brücke zunächst noch einige Vorbereitungen getroffen werden. Damit der Fahrdraht überhaupt unter der Brücke hindurch geleitet werden konnte, musste die Blechträger-Konstruktion um etwa 1 Meter angehoben werden. Das geschah, indem ein »Häubchen« aus Stahlbeton in Höhe von 1 Meter auf die Betonsockel der Widerlager aufgesetzt wurde, was man noch heute deutlich erkennen kann. Allen Umbauarbeiten zum Trotz haben sich am östlichen Widerlager noch bis heute an zwei Seiten die alten schmiedeeisernen Brückengeländer aus dem Jahre 1879 erhalten.

Nachdem im Jahre 1985 der letzte Personenzug nach Kassel über die schiefe Brücke gefahren war, fuhren für einige Jahre zunächst noch Güterzüge über die Brücke bis nach Waldkappel. In späteren Jahren waren es auch hier nur noch einzelne Waggons, bis spätestens Ende 1992 auch dieser Restverkehr versiegte.

Anschließend verbrachte die Brücke noch weitere 14 Jahre auf dem »Denk­mal­sockel« und keinen störte sie, bis in der Zeitung stand:
»Ab Samstag, den 29. Ju­li 20 Uhr bis zum Sonntag, den 30. Ju­li 2006 20 Uhr wird die B 27 wegen Abriss einer Brücke zwischen dem Lido bei Rei­chen­sachsen und Ende der Ortsdurchfahrt Nid­da­witz­hau­sen voll gesperrt«, so hieß es zumindest in der kurzen Pressemitteilung der Werra-Rundschau. Im Laufe der Nacht vom 29. auf den 30. Ju­li wurde die »Schiefe Brücke«, die Über­querung der Nord-Süd-Strecke durch die Kanonenbahn, im Rahmen einer Strec­ken­sanierung auf der Hauptstrecke abgebaut und verschrottet.

Die einhellige Meinung der anwesenden Bauarbeiter soll gewesen sein: Warum man diese Brücke abgerissen hätte, könnten sie nicht verstehen, denn eine so stabile und gut in Schuss befindliche alte Eisenbahnbrücke hätten sie noch nie abgebaut.

Gegen 20 Uhr wurde mit dem Zerschneiden und Entfernen der Gleisjoche auf der Brücke begonnen, während bei dem schweren Autokran damit begonnen wurde, die Gegengewichte einzusetzen. So war bis gegen 23 Uhr die erste Hälfte der Gewichte eingefügt und es wurde mit dem Einfügen der zweiten Ladung begonnen. In der Zwischenzeit wurden mit dem Schweißbrenner die Löcher für die Stahlketten herausgeschweißt, damit der Kran die Brücke aus der Verankerung heben konnte. Der Abbruch erfolgte dann am frühen Sonn­tagmorgen so zwischen 2 und 3 Uhr.

Am Mittag des gleichen Tages war alles vorbei, die Brücke lagerte bereits auf dem Betriebsgelände des Eschweger Schrotthändlers Knauf & Orlik, nur der mitten auf der B 27 stehende schwere 500 Tonnen-Kran zeugte noch vom Brücken-Abriss, der von der Firma Anton Feldhaus uund Söhne aus Schmal­lenberg ausgeführt wurde.
Weiter zu Teil 53: Der Schrankenposten 24 im Sündersgraben

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 54:

Die Ostseite der Vierbachbrücke im Winter;<br />fotografiert am 3. Januar 2013 von Hermann Josef Friske

Die Vierbachbrücke von oben;<br />fotografiert am 6. April 2003 von Hermann Josef Friske

Die Vierbachbrücke von Westen ohne Brüstung;<br />fotografiert am 1. Juli 2014 von Hermann Josef Friske

Die gesperrte Vierbachbrücke;br />fotografiert am 1. Juli 2014 von Hermann Josef Friske

Der Vierbachviadukt bei Reichensachsen

Inzwischen taucht bei km 53,444 der Vierbachviadukt von Reichensachsen auf, der im Jahre 1877 errichtet wurde und den Reichensächsern sogar im Jahre 1961 eine Festplakette zum Wichtelfest, ihrem alljährlichen Heimatfest, wert war.

Der Viadukt hat eine Länge von 43 Metern und eine Höhe von 14 Metern. Das Bauwerk wurde mit vier Öffnungen versehen, die jede eine Spannweite von 8,50 Meter besitzen. Das Objekt besteht komplett aus Buntsandstein, dessen Baukosten mit insgesamt 67.473 Mark angegeben wurden, das bedeutet für den laufenden Meter einen Preis von 1377 Mark.

Da sich der Viadukt fast am Anfang einer langen Rampe befindet, die bis ins Stölzinger Gebirge an den Bischofferöder Tunnel, bei km 70,3 in 583 Meter Höhe, reicht, ist auch dieser nicht völlig eben, sondern steigt auf die Länge von 43 Metern um etwa 50 cm an.

Die erste bekannte Darstellung des Viadukts stammt aus einer alten Ansichtskarte von 1905 mit Sehenswürdigkeiten aus Eschwege und seinem Umland. Wie auf dieser zu ersehen ist, waren die großen Schalllöcher damals auch noch offen und wurden wahrscheinlich erst nach dem Ende des 1. Weltkriegs zugemauert. Diese so genannten Schalllöcher dienten damals eigentlich der Entwässerung der Brückenoberfläche.

Gleichzeitig mit der Errichtung des Viadukts fand im selben Bauprojekt der Brückenbau von der späteren Reichsstraße 27 über den Vierbach statt.

Das Baumuster der aus Sandstein errichteten Eisenbahnbrücken entlang der Strecke von Leinefelde bis Treysa war eigentlich bei jeder Brücke gleich.

Diese Bauweise wurde bei dieser Art von Objekten dem Bau von teuren Stahlkonstruktionen aus Kostengründen vorgezogen, kam aber nur bei Dammhöhen bis zu 26 Metern in Frage. Die Brückenbauten selbst besaßen für eine auf 2 Gleise ausgelegten Trasse eine Einheitsbreite von 8 Metern. Es stellte sich auch als günstiger heraus, an Stelle von Kastenpfeilern oder Flügeln offene Bogenkonstruktionen zu wählen, deren Öffnungen mit dem Schüttmaterial des vor gelagerten Dammes teilweise ausgefüllt wurden.

Um die Länge der Steinbrücken auf ein Minimum zu reduzieren, wurden am Fuße des Bauwerkes Stützmauern eingefügt, die die Dämme auch gegen Hochwasser schützen sollten, was immer wieder vorkam. Bei der Fundierung der Bauwerke erwies es sich als günstig, dass im Untergrund schon in nur geringer Tiefe grober Kies oder sogar blanker Fels anstand. Als Baumaterial wurde weitgehend in der Nähe anstehende Sandstein-Bruchsteine verwendet.

Die Gewölbe selbst, die Brüstungen sowie die Bindeschichten, wurden aus guten Sandsteinquadern gemauert. Die Bindeschichten wurden aus Sicherheitsgründen bei der durchaus beträchtlichen Höhe der Pfeiler etwa alle 2 bis 3 Meter zur besseren Druckverteilung mit eingefügt.

Um weiteres Material einzusparen und zur Entlastung der Mittelpfeiler wurden zum raschen Austrocknen des Bauwerks gewölbte oder mit Platten überdeckte Hohlräume mit eingefügt.

Die Entwässerung des Bauwerks geschieht zu den Widerlagern hin, wozu eine doppelte Ziegelflachschicht dient, die mit Asphalt versehen wurde. Diese Schichten wurden mit einer entsprechenden Neigung versehen, damit sich das Schwitzwasser in den vorgesehenen Hohlräumen sammeln konnte und durch Öffnungen, die an der Stirnseite der Mittelpfeiler angebracht waren, nach außen dringen konnte. Dadurch sind die so genannten Schalllöcher entstanden.

Die Arbeits- und Lehrgerüste wurden größtenteils von der Bauverwaltung gestellt, während die Ausführung der Maurerarbeiten dem jeweiligen Unternehmer übertragen wurden.

Die Form der Gewölbebögen wurde entweder als Halbkreis oder überhöhte Korbbögen mit drei Mittelpunkten konstruiert, die sich aus der ungünstigsten Belastung der daraus resultierenden Stützlinie ergaben. Im Fall der hier behandelten Brücke wurden Rundbögen verwendet.

Trotzdem wurden die Widerlagerpfeiler vor der Befüllung der Gewölbe und nach der vollständigen Fertigstellung auf Stabilität untersucht, wobei nach Vollendung des Gewölbes auch das Verhalten des Bauwerks bei ungünstigster Belastung getestet wurde.

Auf der »Schallbrücke«, so wird der Viadukt im Reichensächser Volksmund genannt, wurde im Jahre 1944 ein Güterzug von zwei amerikanischen Jagdflugzeugen beschossen, aber glücklicherweise nicht getroffen. Der Lokführer brachte die Lok mit einem Ruck mitten auf dem Viadukt zum Stehen. Das ging relativ einfach, die Strecke geht stark bergauf. Geistesgegenwärtig ließ dieser jede Menge Dampf ab, damit die Flieger glauben sollten, die Lok sei tödlich getroffen. Die List gelang, die Flieger drehten nochmals eine Schleife um den Zug und verschwanden danach in Richtung Meißner. Dieser setzte anschließend seine Fahrt fort, um mit höchstmöglicher Geschwindigkeit in Richtung des rettenden Eisbergtunnel hinter Burghofen zu flüchten.

Seit der Beendigung des Güterverkehrs auf der Strecke nach Waldkappel zum 31. De­zem­ber 1992 ruht auf der Strecke jeglicher Verkehr, die Gleise sind vom Unkraut überwuchert und sogar Bäume wachsen inzwischen auf der Vierbachbrücke.

Da in den letzten Jahren verschiedentlich bereits Sandsteinblöcke von der seitlichen Brüstung wegen Zerbröselung des Gesteins erneuert werden mussten, wurden im Sommer 2014 aus Sicherheitsgründen sämtliche oberhalb des Straßenbereichs befindliche Brüstungsteile entfernt und liegen nun mitten auf dem Gleis. Leider musste bei dieser Aktion auch die bis dahin in der Mitte der Ostseite sichtbare Jahreszahl 1877 mit entfernt. Dieses geschah, obwohl die Brücke unter Denkmalsschutz steht. Seitdem ist die Brücke total gesperrt und kann nicht mehr betreten werden.

Inwieweit diese durch den inzwischen anstehenden Autobahnbau gefährdet ist, kann heute noch nicht gesagt werden. Fakt ist, dass an der Strecke nach Waldkappel etliche Relikte der Bahn durch den Autobahnbau für immer verloren gehen.
Weiter zu Teil 55: Die Reichensächser Bahnhofsgaststätte

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 56:

Das alte Wartehaus vom Haltepunkt Reichensachsen-West in den frühen 60-er Jahren;<br />Sammlung Gerhard Knauf / Sammlung Hermann Josef Friske

Der alte Aufgang zum Haltepunkt Reichensachsen-West;<br />fotografiert am 16. März 2012 von Hermann Josef Friske

Das Beton-Wartehaus am Haltepunkt Reichensachsen-West;<br />fotografiert am 23. September 2007 von Hermann Josef Friske

Die Grundmauern vom Toilettenhäuschen;<br />fotografiert am 5. Februar 2005 von Hermann Josef Friske

Der Haltepunkt Reichensachsen-West

Da das Dorf Reichensachsen den Luxus besaß, gleich zwei Bahnhaltepunkte zu besitzen, holen wir an dieser Stelle etwas weiter aus.

Bereits am 31. Ok­to­ber 1875 wurde die Bebra-Friedländer Eisenbahn, die anfangs nur bis Eschwege führte, eröffnet. An dieser Strecke bekam Reichensachsen gleich zu Beginn einen Haltepunkt, der als Nieder-Reichensachsen bezeichnet wurde, eingerichtet.

Als am 1. Ok­to­ber 1877 in der Reichensächser Flur die Arbeiten an der Trasse der Kanonenbahn begannen, wahrscheinlich wurde zuerst mit der Errichtung des Viadukts begonnen, worauf die Jahreszahl 1877 am Bauwerk hinweist, legte man beim Bau der Trasse etwa in Höhe des späteren Haltepunktes Reichensachsen-West die Spuren des ehemaligen Dorfes Virbach frei. Unter dem heutigen Gleis wurden die Grundmauern der Kirche des Ortes, sowie mehrere Skelette freigelegt, die belegen, dass sich um die Kirche herum auch der Friedhof befunden hat. Gleichzeitig erhielt die Gemeinde von der Königlich-Preußischen Eisenbahn-Verwaltung (KPEV) beim Bau den Betrag von 1371 Mark als Entschädigung für verloren gegangenen Grund und Boden.

Bis zur Einrichtung eines Haltepunkts mussten die Reichensächser, um nach Kassel, Treysa oder Leinefelde zu gelangen, für einige Jahre zu Fuß bis zum Bahnhof Bischhausen gehen. Die Freude war groß, als Reichensachsen endlich im Laufe des Jahres 1894 bei Km 53,64, nur wenige Meter hinter dem Viadukt, endlich einen Haltepunkt an der Kanonenbahn in einer Höhe von 191 Meter über NN erhielt. Die Gemeinde hatte dazu lediglich außer dem für den Haltepunkt benötigten Grund und Boden nur den Betrag von 500 Mark Kostenbeteiligung an die Eisenbahnverwaltung beizusteuern, das waren noch zivile Preise. Dieser Haltepunkt erhielt zunächst den Namen Ober-Rei­chen­sach­sen. Der Haltepunkt scheint aber schon wesentlich früher fertig gestellt worden zu sein, aber die Bahn ließ die Züge anscheinend trotz mehrerer Eingaben erst im Sommer 1897 dort halten, so berichtete der Reichensächser Chronist Christoph Hettehausen.

Am 15. Ja­nu­ar 1908 wurde der neue Bahnhof, der an der Bebra-Friedländer Bahn etwas versetzt zum alten Haltepunkt eingerichtet wurde und nun einige Nebengleise bekam, auch für den Gepäck- und Güterverkehr freigegeben, wobei dieser den Status Bahnhof 4. Klasse erhielt und seitdem »Reichensachsen« hieß. Die Umbaukosten in Höhe von 30.000 Mark über­nahm die Gemeinde Reichensachsen, welch ein Luxus.

Fast zeitgleich wurde der Haltepunkt Ober-Reichensachsen in »Rei­chen­sachsen-West« umbenannt. Ob mit der Einrichtung dieses Haltepunktes sofort der Bau eines Wartehauses verbunden war, bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen. Fest steht jedoch, dass sich im Jahre 1909 am Haltepunkt mindestens ein Haus, wahrscheinlich ein bereits zur Eröffnung der Strecke im Jahre 1879 als Strecken- oder Brückenposten errichtetes Gebäude befand, in dem wohl auch Betriebsstoffe wie Petroleum und Werkzeuge gelagert wurden, denn ähnlich wie am Frieda-Viadukt waren auf der Brücke wahrscheinlich Laternen zur nächtlichen Beleuchtung angebracht.

Am 25. A­pril 1909 erlebte der Haltepunkt Reichensachsen-(West), so die offizielle Bezeichnung, ein besonders fröhliches Völkchen, das sich nach der Hochzeit von Ottilie Blum mit Karl Seibert zurück auf den Heimweg nach Kassel begab und von den übrigen Hochzeitsgästen am Haltepunkt mit »gro­ßem Bahnhof« verabschiedet wurde. Bevor die Heimkehrer mit dem bereits wartenden Zug den Haltepunkt verließen, entstanden während des Fototermins die Aufnahmen mit den preußischen Abteilwagen, dem Stationsschild Rei­chensachsen-(West), den winkenden restlichen Hochzeitsgästen und den Frag­menten von dem oder den Gebäude(n) am Haltepunkt.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde im Wartehäuschen (oder Streckenposten) am Haltepunkt Reichensachsen-West ein Wachtposten der Brückenwache eingerichtet, da man befürchtete, dass feindliche Agenten Anschläge auf die Bahnstrecke verüben würden. Die Bewachung der Bahnstrecken war zu Beginn der Mobilmachung bereits angeordnet. Der Warteraum an der Leinefelde-Treysaer Strecke wurde zum Wachlokal ernannt. Die Posten waren allesamt bewaffnet, hier aber nicht uniformiert, das bedeutet, dass die Posten wahrscheinlich aus Zivilisten rekrutiert wurden, die in der näheren Umgebung beheimatet waren, zumeist älteren nicht mehr wehrtauglichen Männern sowie solchen, die im Hinterland als unabkömmlich galten. Die Posten standen mit geladenem Gewehr am Reichensächser Viadukt, der so genannten Schallbrücke, oder patrouillierten neben der Brücke und entlang des Grundweges. Die Posten hatten den Auftrag, auf Flugzeuge zu achten und verdächtige Kraftfahrzeuge anzuhalten, denn die Heeresleitung hatte Angst vor dem Eindringen feindlicher Spione. Diese und auch Flugzeuge sollen bereits zu Kriegsbeginn hier und da versucht haben, Bahnbauten zu zerstören und Bahnlinien zu unterbrechen, um den Aufmarsch der Deutschen Armeen zu bremsen. Nachdem im Hinterland alles ruhig geblieben war, wurden die Brücken- und Tunnelwachen bereits im Spätherbst 1914 wieder eingestellt.

Am Haltepunkt Reichensachsen stand zunächst ein kleines Wartehäuschen aus Backstein und Fachwerk, von dem heute niemand mehr sagen kann, ob dieses Gebäude bereits zur Eröffnung des Haltepunkts im Jahre 1894 entstand oder erst nach dem 1. Weltkrieg errichtet wurde.

Wahrscheinlich ist, dass der im Jahre 1909 vorhandene Streckenposten, etwa 3 x 4 Meter mit einem an der Nordseite errichteten etwa 90 x 80 cm messenden kleinen Anbau, nach dem 1. Weltkrieg nicht mehr benötigt wurde. Stattdessen wurde in diesem Gebäude der Abort vom Haltepunkt Ober-Reichensachsen mit zwei getrennten und sogar verschließbaren Plumpsklos und einem davor gesetzten Urinal eingerichtet.

Nur ein paar Meter weiter in Richtung Treysa und näher zum Gleis hin wurde ein neues größeres Wartehaus im Fachwerkstil mit einem quer gesetzten Anbau errichtet, der als Aufenthaltsraum für Streckenarbeiter diente. Beide Gebäude erhielten ein mit Teerpappe gedecktes Flachdach. Im Gebäude wurden in späteren Zeiten nach dem Abbruch des Abortgebäudes auch zwei getrennte Toiletten untergebracht. Wann das Abortgebäude abgerissen wurde, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Obwohl die Gleispläne von 1947, die 1941 gezeichnet wurden, sowie von 1965 das Gebäude noch auswiesen, gehen wir davon aus, dass der Abbruch zwischen den 1940er und den frühen 1950er Jahren erfolgt sein wird, da sich fast ausschließlich nur noch sehr alte Personen überhaupt noch an das Gebäude erinnern können. Es ist nichts darüber bekannt, ob das alte Abortgebäude inzwischen baufällig geworden war oder ob es im Rahmen von Umbaumaßnahmen entfernt wurde.

Im neuen größeren Wartehaus soll auch eine abschließbare Kammer für Expressgut vorhanden gewesen sein, für die der Zugführer und der Diensthabende Schalterbeamte vom Bahnhof an der Hauptstrecke einen Schlüssel besessen haben soll. Fest steht, dass dieses Wartehaus nach der Stilllegung des Streckenabschnitts von Waldkappel nach Spangenberg im Jahre 1974 durch ein offenes Beton-Wartehaus ersetzt wurde, das heute noch am ausgedienten Haltepunkt vor sich hin vegetiert. Das Abortgebäude stand linkerhand am Ende des Weges, der vom Felsenkeller her zum Haltepunkt Reichensachsen-West herauf führte, auf einem Bergvorsprung. Die Grundmauern dieses Gebäudes sind noch vorhanden.

Die wenigsten Menschen außerhalb unserer näheren Umgebung werden wissen, dass die beiden Stationen in Reichensachsen auch Umsteige-Bahnhöfe waren, denn bis weit in die 1960er Jahre hinein gab es dort einen regen Umsteige-Verkehr, vor allem für die Fahrgäste an der Hauptstrecke aus dem Raum Sontra und Cornberg, die in Richtung Waldkappel, Kassel oder Treysa umsteigen wollten. Umgekehrt waren es die Fahrgäste aus den eben genannten Richtungen, die nach Sontra, Cornberg oder Bebra weiter fahren wollten. Für das Umsteigen in Reichensachsen gab es auch einen triftigen Grund. Man brauchte nicht mehr den Zipfel bis Eschwege-West zu fahren und sparte somit die Fahrkosten für etwa 8 km Strecke. Da das Geld bekanntlich bei uns in Nordhessen stets knapp war, wurde diese Möglichkeit des Umsteigens auf eine andere Strecke voll ausgenutzt. Dabei wurde sogar in Kauf genommen, dass zwischen den beiden Stationen gut 200 Meter zu Fuß zurück zu legen waren. Es wäre allerdings auch möglich, dass bestimmte Bahnverbindungen von Reichensachsen her zeitlich besser zu erreichen waren und der Anschlusszug in Eschwege-West bereits abgefahren war. In den Kursbüchern der Bahn befanden sich damals teilweise auch Hinweise auf diese Umsteigemöglichkeit.

Als der Kanonenbahn-Abschnitt zwischen Waldkappel und Malsfeld im Jahre 1974 weggefallen war, versiegte auch der Fahrgast- und Umsteige-Strom bis auf ein kleines Rinnsal. Die fortschreitende Motorisierung tat ihr übriges.

Schließlich war während der Betriebsjahre des hässlichen Beton-Wartehauses am Haltepunkt Reichensachsen-West nicht mehr viel los. Die Triebwagen nach Spangenberg und Treysa fuhren nicht mehr und die Fahrtmöglichkeiten beschränkten sich in westlicher Richtung auf Waldkappel oder Kassel und in östlicher Richtung auf Eschwege-West mit Anschluss an die Bebra-Göttinger Bahn sowie auf Eschwege und Wanfried, wohin von Reichensachsen aus immer noch einige Strickerinnen fuhren, die ehemals im Zweigbetrieb Reichensachsen, der in Wanfried ansässig gewesenen Strick­waren-Firma Bode gearbeitet hatten.

An ein paar Tagen im Jahr aber kam Leben in die Stille am Haltepunkt, wenn eine Schulklasse der Mittelpunktschule Reichensachsen auf »große Fahrt« ging und nach Kassel oder in andere Orte mit der Bahn auf Klassenfahrt fuhr. Federführend war hierbei der Klassenlehrer Günther Panzer, der mit etlichen seiner Schulklassen eine Klassenfahrt nach Kassel unternahm und dieses auf einigen Fahrten auch fotografisch dokumentiert hat. Die letzte dieser Fahrten war seine ganz persönliche Abschiedsfahrt auf einem Teilstück der Kanonenbahn mit einer ganzen Schulklasse und fand am 30. Mai 1985 statt. Nur einen Tag später, am 31. Mai 1985, fuhr der offizielle Abschiedszug und ein allerletzter Triebwagen zwischen Eschwege und Kassel.

Vom Ensemble am Haltepunkt Reichensachsen steht heute nur noch das offene Beton-Wartehaus. Das Bahntelefon, welches noch im Herbst 2008 rechts davon am Bahnsteigrand stand, ist inzwischen verschwunden. Es wird wohl einen Liebhaber gefunden haben.
Weiter zu Teil 57: Von Reichensachsen nach Bischhausen

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 58:

Das Empfangsgebäude des Bahnhofs Bischhausen, Straßenseite;<br />fotografiert im Sommer 2005 von Hermann Josef Friske

Das Stationsschild vom Bahnhof Bischhausen;<br />fotografiert am 18. April 2010 von Hermann Josef Friske

Der Stellwerksanbau an der Gleisseite;<br />fotografiert am 21. Oktober 2010 von Hermann Josef Friske

Das Nebengebäude mit den ehemaligen Stallungen und Toiletten;<br />fotografiert am 22. Juli 2007 von Hermann Josef Friske

Der Bahnhof Bischhausen

Der Bahnhof Bischhausen bestand bereits seit Eröffnung der Kanonenbahn am 15. Mai 1879 bei km 57,02. Der Einzugsbereich des Bahnhofs Bischhausen, der ein Bahnhof 4. Klasse war, erstreckte sich bis in den Ringgau. Besonders montags und samstags herrschte hier reger Betrieb, da viele Menschen aus dem Umkreis von etwa 20 km, die von hier aus mit der Bahn fuhren, während der Woche am Ort ihrer Arbeitsstelle blieben.

Um die Jahrhundertwende war man auch in Bischhausen stolz auf die Eisenbahnstrecke, die oberhalb vom Ortsrand entlang führte und den eigenen Bahnhof, der den Ort mit der Außenwelt verband. Daher gab es auch hier wie an vielen anderen Orten entlang der Kanonenbahn Bildpostkarten mit den Sehenswürdigkeiten der Umgebung, bei denen die Bahn eine wichtige Rolle gespielt hat und in diesem Fall aus dem Jahre 1904 stammt.

Ursprünglich war an der Ostseite ein kleiner Güterschuppen an das Empfangsgebäude angebaut, der auf einem Bauplan aus dem Jahre 1962 noch vorhanden war und wohl in den 1970er Jahren nach der Stilllegung der Strecke in Richtung Treysa abgerissen wurde, da am Gebäude offensichtlich der Zahn der Zeit genagt hatte und für einen Neubau nicht genügend Bedarf vorhanden war. Es wäre möglich, dass an Stelle des Güterschuppens in dieser Zeit das neue Stellwerk angebaut wurde.

Die Gleise vom Bahnhof selbst verzweigten sich bereits bei km 56,56 noch vor der Unterführung, die dem Bahnhof vorgelagert ist. Zunächst waren da die Gleise für den Begegnungsverkehr, von dem das Freiladegleis und das Gleis zum Güterschuppen nach links abzweigte. Vom rechten Streckengleis aus zweigte ein langen Stumpfgleis ab, das bis an den Bahnübergang bei km 57,35 reichte und von dem aus Kopf gemacht werden musste, um das Aschegleis zu erreichen, von dem aus gleichzeitig der Gleisanschluss der Firma Bommhardt bedient wurde.

Der eigene Werksanschluss der Baufirma Bommhardt wurde bereits vor dem 2. Weltkrieg eingerichtet. Dieser befand sich am Anfang des Bahnhofsbereichs rechterseits des Gleises in Fahrtrichtung Waldkappel, war auf dem Gleisplan des Bahnhofs aus dem Jahre 1977 noch enthalten, wurde aber inzwischen schon längst abgebaut. Zu diesem führte das Schmalspurgleis, das aus dem Werksgelände kommend bis etwa in Waggonhöhe den Hang hinab geführt und danach in einem Bogen in den angrenzenden Hohlweg geführt wurde, wo das Gleis noch etliche Meter am hinteren Hang des Hohlweges auf halber Höhe entlang verlief, wo auch der als »Aschegleis« bezeichnete Gleisanschluss der Kanonenbahn hinein führte. Entweder wurde das verlängerte Schmalspurgleis benötigt, um genügend Teile mit einer Zugfahrt transportieren zu können, oder aber das Ladegleis der Kanonenbahn führte auch noch tiefer in den Hohlweg hinein.

Während des 2. Weltkrieges wurden auch bei Bommhardt gefertigte Baracken-Fertigteile über den Gleisanschluss verladen, so wahrscheinlich auch die gegen Kriegsende in Waldkappel aufgestellten, sowie die nach Schwebda ins Kellaer Tal gelieferten Barackenteile für den aus Berlin ausgelagerte Hauptverwaltung der Reichsbahn-Direktion.

Von der Schmalspurbahn ist noch ein Teil der Gleise erhalten geblieben, ansonsten kann man deren Verlauf an der gut erkennbaren Trasse noch nachvollziehen. Von der Bahn waren bis vor ein paar Jahren auf dem Betriebsgelände der Firma Bommhardt noch weitere Relikte der Schmalspurbahn erhalten. So stand in einem windschiefen Schuppen am Rande des Firmengeländes immer noch eine der Schmalspur-Dieselloks. Außerdem war noch mindestens eine Lore des rollenden Materials erhalten, die für ein paar Monate auf dem Betriebsgelände im Freien abgestellt war.

Nachdem der Güterverkehr in den ersten Betriebsjahren gut ausgelastet war und Waren und landwirtschaftliche Güter sogar aus dem Ringgau bis zu einer Entfernung von etwa 20 km verladen oder am Bischhäuser Bahnhof abgeholt wurden, nahm dies nach dem zweiten Weltkrieg dort erheblich ab. Der Güterverkehr spielte im Tagesbetrieb nur noch eine untergeordnete Rolle und Wagenladungen gab es außer einer Fuhre Kohlen oder Baustoffe sowie dem Abtransport von landwirtschaftlichen Gütern kaum noch. Nur der Stückgutverkehr florierte noch einigermaßen. Dieser wurde dann über den Kopf der Freirampe, an der auch das Gleis zum alten Güterschuppen vorbei führte oder im Empfangsgebäude abgewickelt.

Zwei Begebenheiten über den Güterverkehr im Bahnhof Bischhausen sind erhalten geblieben:

In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Güterabfertigung des Bahnhofs ein Holzfass mit Schnaps für die Firma Max Hüfner angeliefert. Einige Bedienstete der Güterabfertigung bekamen dieses mit. Eiligst lockerten sie einen Fassring, bohrten ein Loch in das Fass, entnahmen einige Liter und tranken den Schnaps. Danach verschlossen sie das Loch wieder, aber wahrscheinlich so stümperhaft, dass der verminderte Inhalt bemerkt wurde. Obwohl keine Anzeige erstattet wurde, sind die Bediensteten danach vom Dienst suspendiert worden.

Um das Jahr 1960 wurde für den damaligen Produzenten, Herrn Hanfried Suck, mit der Bahn ein 300-Liter-Fass mit 96 %-Monopol-Alkohol in Bischhausen angeliefert. Beim Umladen auf den Pritschenwagen ließen die Bahnbediensteten aus der Güterabfertigung das Fass auf den Boden aufschlagen. Dabei platzte es auf und wurde undicht. Die Bahnbediensteten rollten es in den Güterschuppen, worauf sich dort sofort eine Lache aus 96 %-tigem Alkohol bildete. Aus Unkenntnis wurde diese Lache anschließend angezündet. Welch ein Glück, dass das Spritfass nicht explodierte, denn bei 300 Litern Alkohol wäre vom Güterschuppen nicht mehr viel übrig geblieben.

Beim Personenverkehr ging es am Bischhäuser Bahnhof schon etwas reger zu, da sämtliche auf der Strecke verkehrenden Züge hier hielten. Außerdem fanden in Bischhausen auch regelmäßig Zugkreuzungen statt, auch wenn in den letzten Betriebsjahren außer ein paar Schülern oder einige ältere Leute hier kaum noch jemand ein- oder ausstieg.

Nach der Stilllegung des Personenverkehrs am 31. Mai 1985 wurden die Gleise am Bahnhof Bischhausen fast vollständig zurückgebaut, da der Güterverkehr hier mittlerweile keine Bedeutung mehr besaß. Nur das Durchgangsgleis für den Güterverkehr nach Waldkappel, der aber bald zur Bedeutungslosigkeit verurteilt war, sowie ein Freiladegleis für gelegentliche Wagenladungen blieb intakt.

Das Empfangsgebäude selbst enthielt außer den Betriebsräumen im Erdgeschoss noch zwei Dienstwohnungen in den Obergeschossen, in welchen normalerweise der Bahn­hofs­vor­ste­her, in diesem Fall der seit dem Jahre 1940 hier tätige langjährige Bahn­hofs­vor­ste­her Wilhelm Becker und sein 2. Mann Ernst Schröder mit ihren Familien wohnten. Die Wohnungen wurden vom Bahnpersonal erst im Jahre 1968 aufgegeben, wahrscheinlich das Jahr, in dem die beiden ihren wohlverdienten Ruhestand antraten. Danach wurden diese an Privatleute vermietet. In einer der beiden Wohnungen zog Heinz Schierl mit seiner Familie ein.

Nach Stilllegung der Strecke nach Kassel im Jahre 1985 wurde das Empfangsgebäude mit dem gesamten Grundstück zunächst an die Firma Bommhardt vermietet. Erst im Jahre 1989 verkaufte die DB das Empfangsgebäude mit einem Teil des Grundstücks an die Familie Wilsky, die ein Fuhr- und Baggerunternehmen betreibt. Im Keller des Gebäudes war bis vor wenigen Jahren noch die Tür zum Luftschutzkeller zu sehen, die aber inzwischen entfernt wurde. In einer Ecke im Kellerraum steht noch ein alter Aktenschrank im Gründerzeitstil aus Reichsbahnzeiten, der dort die Zeit überdauert hat mit der Inschrift: DR B.A. Nordh. (Deutsche Reichsbahn, Betriebsamt Nordhausen). Auf welch verschlungenen Wegen sich der Schrank wohl nach Bischhausen verirrt hat?

Auf dem Bahnhofsgelände ist außer dem Empfangsgebäude noch ein Nebengebäude erhalten, in dem früher die Stallungen der Bahnbediensteten und die Toiletten untergebracht waren. Außerdem sind auf dem ehemaligen Gelände auch heute noch etliche Relikte aus der Betriebszeit zu finden. So sind noch einige alte Telegrafenmasten erhalten, wenn auch zum Teil inzwischen umgestürzt. Das alte Stationsschild steht (wieder) auf seinem Platz und einige Führungen für Signal- und Weichendrähte sind noch zwischen dem Unkraut auszumachen. Von Eschwege her sind die Weichen zur Freiladerampe noch erhalten, ebenso die Rampe selbst, die heute an die Firma Wilsky vermietet ist. Beide Bahnsteige sind noch recht gut zu erkennen, wenn auch stark verwachsen und mit Bäumen bestanden. Mindestens zwei Kilometersteine sind noch auszumachen und zwar der von km 57,0 unmittelbar vor dem Empfangsgebäude und am westlichen Bahnhofs-Ende der umgefallene und bereits beschädigte Stein km 57,3.

Exakt bei km 57,3 ist auch heute noch das Signal für den Bahnübergang am km 57,35, das per Schienenkontakt ausgelöst wurde und dem Lokführer anzeigte, dass das Blinklicht am Bahnübergang auch funktionierte. Der Bahnübergang ist in dieser Form nicht mehr erhalten, da die Blinklichter im Jahre 2009 leider abgebaut wurden. Heute steht nur noch der alte Fernsprecher unmittelbar vor dem Übergang. Als dieser noch mit Schranken versehen war, wurde er vom Bahnhof Bischhausen her bedient.

Zwei weitere beschrankte Bahnübergänge in Richtung Waldkappel gehörten ebenfalls zum Bahnhof und wurden zeitweise von dort aus bedient, nachdem die dortigen Schrankenposten wegrationalisiert worden waren. Bei den beiden Schrankenposten handelte es sich um die Posten 25 und 26, die bereits im Jahre 1953 oder 1954 von der DB abgeschafft wurden.
Weiter zu Teil 59: Von Bischhausen nach Waldkappel

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 60:

Die Kanonenbahnseite vom Waldkappeler Bahnhof mit Personal um 1910;<br />Heimatmuseum Waldkappel / Sammlung Hermann Josef Friske

Bild von Waldkappel, im Hintergrund der Bahnhof mit dem Lokschuppen und der großen Kanonenbahn-Brücke;<br />Heimatmuseum Waldkappel / Sammlung Hermann Josef Friske

Unfall in Waldkappel am 6. Februar 1898;<br />Stadtarchiv Eschwege, Sammlung Saalfeld / Sammlung Hermann Josef Friske

Das letzte Foto vom alten Bahnhof Waldkappel mit der Kasseler Seite;<br />Heimatmuseum Waldkappel / Sammlung Hermann Josef Friske

Der Bahnhof Waldkappel bis 1945

Der Bahnhof Waldkappel bei km 62,26 wurde als Inselbahnhof nördlich der Stadt angelegt, der seine Zufahrt von Westen her erhielt und am 15. Mai 1879 eröffnet wurde. Der Bahnhof befand sich in einer Höhe von 252 Metern über NN und wurde wegen seiner Bedeutung als Abzweigbahnhof ab dem 1. De­zem­ber 1879 mit der Eröffnung der 50 km langen eingleisigen Sekundärbahn nach Kassel Hbf als ein Bahnhof 3. Klasse eingestuft. Somit war nun auch eine direkte Verbindung von Eschwege über Waldkappel nach Kassel vorhanden. Die Züge benötigten für die Strecke von Waldkappel nach Kassel Hauptbahnhof damals ganze 2 ½ Stunden.

Kommen wir jetzt zur Geschichte des Bahnhofes:
Rund um Waldkappel wurde im Spätherbst des Jahres 1874 mit dem Bahnbau begonnen, da nicht nur der Bahnhof, sondern auch einige Brücken und hohe Dämme für die Strecke nach Malsfeld errichtet werden mussten. Die Bauarbeiten bis zur Streckeneröffnung der Kanonenbahn sollten insgesamt 4 ½ Jahre dauern.

Vermutlich im Zusammenhang mit dem Bahnbau stand in der Mitte der 1870er Jahre die Errichtung von verschiedenen Kegelbahnen rund um Waldkappel. Das Kegeln scheint sich dort aber unter der Bevölkerung zu einem Volkssport entwickelt zu haben, denn es entstand am Mühlberg eine überdachte »Aktien-Kegelbahn«, wofür die Stadt das Grundstück zur Verfügung gestellt hatte und die Finanzierung des Baues durch Anleihen bei der Bevölkerung gesichert wurde.

Bis zum 31. März 1945 stand in Waldkappel ein Bahnhofsgebäude, das dem früheren Abfertigungsgebäude vom Bahnhof Eschwege-West sehr ähnlich sah. Der Bahnhof Waldkappel wurde für die damalige Zeit sehr modern ausgebaut. Das Empfangsgebäude stand an der Gabelung der Kanonenbahn und der Waldkappel-Casseler Eisenbahn. Die Dienst- und Betriebsräume lagen im Erdgeschoß und im Obergeschoß befanden sich mehrere Dienstwohnungen. Auch der Postverkehr wurde vom Empfangsgebäude aus abgewickelt. Für den Güterverkehr gab es einen gesonderten Güterschuppen, der sich rechts, also östlich vom Bahnhofsgebäude, in Richtung Eschwege am Rande der Kanonenbahngleise befand.

Außerdem besaß der Bahnhof Waldkappel vom ersten Tage an auch einen dreiständigen Lokschuppen, der auf der südlichen Seite hinter den Ausfahrsignalen in Richtung Kassel errichtet wurde. In dem Gebäude konnten mehrere Lokomotiven gleichzeitig untergestellt, gewartet, und wenn notwendig, auch repariert werden. Vor dem Lokschuppen befand sich auch die Drehscheibe, von der aber heute nichts mehr zu sehen ist. Nur das einst zum Lokschuppen führende Gleis ist heute noch erhalten.

Wie wir aus dem folgenden Abschnitt erfahren werden, hat es damals auch schon eine Bahnhofsgaststätte im Empfangsgebäude gegeben, deren Wirt ein Herr Pfafferoth war.

Schon im Jahre 1881, als Waldkappel noch zum Eisenbahnbezirk Frankfurt/Main gehörte und vom Königlichen Eisenbahn-Betriebsamt in Nordhausen verwaltet wurde, kam es zu einem Streit zwischen dem Königlichen Eisenbahnfiskus und dem Bahnhof Waldkappel über die Bezahlung einer Rechnung. Der Tischlermeister Weiffenbach aus Waldkappel hatte eine Scheibe in der nördlichen Eingangstür des Empfangsgebäudes Waldkappel erneuert, die auf unbekannte Weise zersprungen war. Die Tür führte zur Dienstwohnung des Bahnbediensteten, dem Diätar Clausewitz, zur Mietwohnung des Restaurateurs, dem Bahnhofswirt Pfafferoth, sowie zum Postraum.
Die Rechnung über 3,84 Mark setzte sich folgendermaßen zusammen:
Das Entfernen der alten Scheibe, Einsetzen und Streichen eines neuen Zwischenstücks aus Eichenholz mit Ölfarbe für 60 Pfennige, die alte Scheibe passend geschnitten, eingesetzt und verkittet für 75 Pfennige und zur oberen Hälfte eine Scheibe in der Größe 58 x 33 cm geliefert und eingesetzt für 2,49 Mark. Das Ergebnis war, dass Clausewitz, Pfafferoth und das Postamt Waldkappel den Schaden zu 3 gleichen Teilen zu je 1,28 Mark bezahlen mussten, da kein Schuldiger zu ermitteln war.

So erfahren wir so ganz nebenbei, dass es im Jahre 1881 einen Bahnbediensteten auf Zeit gab, der nicht über den Personal-Etat der Bahn bezahlt wurde, dass es im Empfangsgebäude bereits seit der Eröffnung der Strecke eine Bahnhofsgaststätte gab und dass auch ein Postamt in diesem Gebäude, vermutlich für die Bahnpost, untergebracht war.

Da die Stadt Waldkappel erst im Herbst 1915 ihr eigenes Postgebäude erhalten hatte, wäre es möglich, dass der gesamte Postverkehr der Stadt im Postraum des Empfangsgebäudes abgewickelt wurde.

Immer, wenn in Kassel Markttag war, herrschte morgens, bevor der erste Zug nach Kassel abfuhr, Hochbetrieb auf dem Waldkappeler Bahnhof. Der Zug füllte sich zumindest in der 3. und 4. Klasse mit Marktleuten, die mit ihren prall gefüllten Kötzen und Henkelkörben bepackt waren und Erzeugnisse enthielten, die sie auf dem Markt feilbieten wollten.

Am Sonntag, den 6. Fe­bru­ar 1898 aber kam der Personenzug 451 ab Waldkappel nicht weit. Nachdem der von Eschwege kommende Frühzug um 6 Uhr in Waldkappel losgefahren war, hatte er kaum 1,2 km zurückgelegt, als die Reisenden bei km 48,7 (damals wurde ab Kassel gezählt) durch einen heftigen Ruck hoch geschreckt wurden und die Lok und zwei Wagen die 7 Meter hohe Böschung hinab stürzten, wobei sich die Lok einmal vollkommen überschlug und am Fuße des Bahndammes wieder auf den Rädern zu stehen kam. Nur der Gepäckwagen blieb auf den Schienen zurück. Der dritte Personenwagen stürzte direkt in die Wehre. Gott sei Dank saßen in diesem Waggon keine Reisenden. Unter den verletzten Fahrgästen befand sich niemand aus Waldkappel, sondern sechs von ihnen waren bereits in Eschwege eingestiegen und einer in Bischhausen zugestiegen. Der Lokführer, der Heizer, sowie 7 Reisende wurden leicht verletzt. Davon wurden 4 Personen, das war der Lokführer Gaußmann, der Heizer Hornhardt sowie die Reisenden August Dick und Georg Hartwig, ins Eschweger Krankenhaus eingeliefert. Erste ärztliche Hilfe leisteten bei diesem Unglück der Sanitätsrat Dr. Hermann Hempel sowie der Barbier Philip Caselitz aus Waldkappel.

Kurze Zeit später traf auch ein Bergungszug der Eisenbahnwerkstätten in Eschwege mit entsprechenden Helfern am Unglücksort ein, die sofort mit der Bergung des Zuges begannen. Bei dem Unglück war ein sehr hoher Sachschaden entstanden. So wurde der in die Wehre gestürzte Waggon völlig zertrümmert und musste daraufhin in Einzelteile zerlegt werden. Um die Lok und die anderen 2 Waggons bergen zu können, musste von Harmuthsachsen her ein Notgleis gelegt werden. Da aber auch der Bahndamm und die Brücke erhebliche Schäden aufwiesen, konnte der Bahnverkehr dort erst am 12. Fe­bru­ar 1898 wieder aufgenommen werden. In der Zwischenzeit musste von dem einen Zug, der bis zur Unfallstelle fuhr, auf einen anderen, der hinter der gesperrten Brücke wartete, umgestiegen werden. Als Unglücksursache wurde die Folge eines Schienenbruches an der Wohrabrücke, auch Wehrebrücke, vermutet.

Ab Ende 1908 oder Anfang 1909 wurde der Bahnhof Waldkappel an das Wasser-Versorgungsnetz der Stadt angeschlossen und wurde nun über den neuen Hochbehälter der Stadt, der sich in 286 Meter Höhe über NN befand, so lange problemlos mitversorgt, bis in den 1960er Jahren ein neuer leistungsfähiger Hochbehälter entstanden war.

Im Sommer 1914 verdüsterte sich die politische Lage in Europa und spitzte sich binnen weniger Tage dermaßen zu, dass ein Krieg ins Haus stand. Daher erhielten am Samstag, den 1. Au­gust 1914 die ersten 6 Waldkappeler Reservisten ihre Einberufung nach Göttingen. Diese verließen die Stadt noch am gleichen Tag um 16:45 Uhr mit dem Zug in Richtung Niederhone, um dort nach Göttingen umzusteigen. Sie wurden von ihren Nachbarn, dem Waldkappeler Pfarrer und den Lehrern am Bahnhof verabschiedet. Am Sonntag, den 2. Au­gust 1914 wurde nach einem für 12 Uhr anberaumten Gottesdienst aus Waldkappeler Bürgern eine 70 Mann starke freiwillige Bahnwache aufgestellt, die mit Gewehren bewaffnet wurde. Mit dieser Heimatschutztruppe wurden die Brücken und Bahnanlagen rund um Waldkappel gesichert.

Nachdem die allgemeine Mobilmachung erfolgt war, rollten die Truppen-Transportzüge in Richtung Westen zum Aufmarschgebiet Elsass an der französischen Grenze mit geringer Geschwindigkeit und in dichter Folge über die Kanonenbahn in Richtung Westen. An manchen Tagen passierte alle 8 Minuten ein mit Laub und Blumen geschmückter Militärzug den Waldkappeler Bahnhof. Die Truppen jubelten den Passanten zu und die Zuschauer winkten mit Taschentüchern zurück. Auf den Waggons waren mit Kreide Sprüche geschrieben, welche die damalige Euphorie widerspiegelten. Da man nach dem Sieg im Krieg von 1870/1871 als Sieger hervor gegangen war, glaubte man an einen schnellen Sieg, welches ebenfalls an den Waggons erkennbar war, auf denen der Satz »Weihnachten sind wir als Sieger wieder zu Hause!« prangte.

Wie überall im Land wurden auch in Waldkappel Päckchen als Liebesgaben an die Front geschickt und die Orts-Sanitätskolonne richtete am Bahnhof eine Erfrischungsstation ein, an der durchfahrende Soldaten und Verwundete betreut wurden. Die dafür benötigte Verpflegung, sowie die Getränke und Zigaretten kamen aus den Reihen der Bevölkerung.

Nach dem 1. Weltkrieg, an dem die mittlere und die kleine Kirchenglocke zur Produktion von Granaten abgegeben werden musste, erhielt die Waldkappeler Kirche im Jahre 1924 gleichwertigen Ersatz. Die neue kleine Glocke wog laut Wiegeschein 227 kg und die mittlere 293 kg. Beide Glocken kosteten zusammen 2.016 Goldmark, wovon die Stadt 800 Goldmark im Voraus zahlen musste. Der Rest wurde über eine Sammlung unter der Bürgerschaft und ein kleiner noch verbleibender Rest mit Wechseln abgedeckt. Am 20. Ju­ni 1924 war es dann soweit und die neuen Glocken wurden von den Schulkindern und vielen Erwachsenen begleitet, vom Bahnhof, wo sie per Waggon angeliefert und entladen worden waren, festlich zur Kirche geleitet.

Nachdem die Post in Waldkappel nur über einen Raum im Empfangsgebäude verfügen konnte, platzte dieser schon recht bald aus den Nähten. Im Sommer 1906 wurde dann endlich Abhilfe geschaffen, als man an den Eilgutschuppen an der östlichen Seite zum Empfangsgebäude hin einen Anbau errichtete, der aus einem Paketraum und einem Aufenthaltsraum für das Postpersonal bestand. Ein Bauplan für den Anbau ist noch erhalten geblieben.

Die Baumaßnahmen scheinen im September 1906 beendet worden zu sein, da die neue Mietkosten-Vereinbahrung ab 1. Ok­to­ber für die neuen Räume galt. Anscheinend hat es sich dabei um einen kompletten Umzug in die neuen Räume gehandelt, da der Mietzins für die alten Räume ab 1907 weggefallen ist. Danach sollte die Post für das Jahr 1906 die bisher gezahlten 50 Mark für den alten zuzüglich 39 Mark für die neuen Räumlichkeiten zahlen, zusammen 89 Mark, während ab 1907 am 1. Ok­to­ber jährlich 63 Mark fällig waren.

Schließlich kam es im Jahre 1924 zu einer weiteren Veränderung, da die Post einen ihrer Räume an die Bahn abgeben sollte, weil anscheinend der Eilgutraum zu klein geworden war und die Post inzwischen über eigene Räumlichkeiten im Ort verfügte. Die Post stellte für die Abgabe des Raumes die Bedingung, dass die Bahn eine kostenlose Unterstellmöglichkeit für die Paketkarren zu erstellen hätte, dann wäre man mit der neuen Regelung einverstanden. Die von der Bahn dafür eingereichte Skizze blieb ebenfalls erhalten. Auf dieser Skizze ist nicht nur der abzugebende Postraum, sondern auch der neue Anbau für die Paketkarren eingezeichnet. Da es anscheinend im Jahre 1924 eine Mieterhöhung gab bei gleichzeitiger Verminderung der Fläche, ergab das laut dem Dokument aus dem Jahre 1925 ab diesem Jahr einen verminderten Mietpreis von 20 Mark. Leider ist nicht überliefert, ob dieser Preis für den Monat oder das Jahr gilt.

Waldkappel verfügte auch seit der Eröffnung der Kanonenbahn über eine eigene Bahnmeisterei. Diese wurde aber schon sehr früh, gemeinsam mit der Bahnmeisterei Geismar, im Jahre 1924 aufgelöst. Die Strecke wurde vermutlich danach von Eschwege her mit betreut.

Seit dem Jahre 1900 entwickelte sich durch die Eisenbahn auch der Fremdenverkehr. Bereits im Jahre 1912 bildete man zu diesem Zweck im Stadtparlament eine Kommission. Obwohl aus dem Antrag auf das Prädikat »Luftkurort« im Jahre 1937 nichts geworden ist, weil die Gutachten vermutlich negativ beschieden wurden, stiegen die Übernachtungszahlen während der 1930er Jahre beträchtlich. In dieser Zeit wurde von der Stadt auch der erste 12 Seiten starke bebilderte Werbeprospekt für den Fremdenverkehr herausgegeben. Ab dem Jahre 1938 stiegen die Urlauberzahlen nochmals deutlich an, als die Stadt Waldkappel Zielort der Deutschen Arbeitsfront (KDF = Kraft durch Freude-Reisen) wurde. In dieser Zeit standen auf dem Bahnhof Werbetafeln und im Wehrfeld begann man mit dem Bau eines Feriendorfes an dem auch im Jahre 1945 bis Kriegsende noch gebaut wurde. Nach dem Krieg benutzte man fast alle Bauteile der Ferienhäuser, um in der zerstörten Stadt die nötigsten Reparaturen durchführen zu können.

In den späten 1930er Jahren entstand dann noch ein letztes Foto vom alten Empfangsgebäude, das vom Dienstgebäude am Steinbühl aus aufgenommen wurde. Es zeigt die Kasseler Seite des Bahnhofs mit den zwei Begegnungsgleisen sowie das Gleis zum Lokschuppen im Vordergrund. Rechts vom Empfangsgebäude ist noch das Schild mit dem Text »Waldkappel die Stadt am Walde gute und billige Ferienbleibe« zu erkennen. Auf dem Kanonenbahngleis ist ein Personenzug mit Gepäckwagen noch ohne Lok zu sehen, der vermutlich bald seine Fahrt nach Malsfeld oder Treysa antreten wird, nachdem die Lok angekuppelt wurde.

Im Waldkappeler Heimatmuseum hängt ziemlich versteckt in einer Ecke eine Luftaufnahme von Waldkappel mit seinem alten Bahnhof, die um das Jahr 1937 entstanden ist und die Stadt und den Bahnhof noch in alter Pracht mit seinem Empfangsgebäude, dem Lokschuppen, dem Güterschuppen und dem Stellwerk Waldkappel-Ost (Wo) zeigt. Auf der Kanonenbahnseite ist ein Zug zu sehen, der in Richtung Treysa fährt und vermutlich von einer Lok der Baureihe 24 gezogen wird. Den inzwischen durch den Bau der neuen Bundesstraße 7 teilweise abgetragenen Damm kann man gut erkennen. Ungefähr dort, wo heute die Bundesstraße den Damm kreuzt, muss es auch damals schon eine Unterführung gegeben haben, da dort ein Weg direkt zum Damm führt, der sich an der anderen Seite fortsetzt. Schade, dass davon kein Foto erhalten ist. Das Dienstgebäude am Steinbühl ist ebenfalls gut zu erkennen.

In der Nacht vom 25. auf den 26. Au­gust 1939 wurden in Waldkappel die ersten Stellungsbefehle zugeteilt, worauf noch am gleichen Vormittag die ersten 30 Einberufenen die Stadt verließen, um zu ihren Standorten zu gelangen. In Waldkappel selbst wurden zwei motorisierte Kolonnen aufgestellt, deren Kraftwagenführer teilweise mit ihrem eigenen Fahrzeug einberufen wurden. Die Fahrer und Beifahrer wurden in Waldkappel einquartiert, vor Ort auf Herz und Nieren untersucht, eingekleidet und verpflegt. Die zusammen gewürfelten Truppen wurden dann am 29. Au­gust 1939 auf dem Kirchplatz sofort vereidigt, wobei mehrere Offiziere große Reden schwangen und Pfarrer Ferrau die Predigt hielt. Etliche Einwohner Waldkappels sowie das Jungvolk wohnten der Zeremonie bei. Am 30. Au­gust wurde die Truppe dann am Bahnhof verladen, wobei mehrere Frauen und die Schüler die mit Blumen geschmückten Soldaten zum Bahnhof geleiteten. Nach einigen herzlichen Abschiedsworten, teilweise auch unter Tränen, verließ der lange Zug den Bahnhof und fuhr über die Kanonenbahn zur Grenzsicherung in Richtung Westen ...
Und wieder rollte Kriegsmaterial über die Kanonenbahn in Richtung Frankreich!

Da es wahrscheinlich im grenznahen Raum, so im durch Frankreich besonders gefährdeten Saarland und der Pfalz, während des Aufmarsches gegen Polen, zu Kampfhandlungen kommen würde, hat man die Zivilbevölkerung der grenznahen Orte, allem voran Frauen und Kinder, aus der Schusslinie ins Reichsinnere evakuiert. So traf ein großer Transport aus dem Saarland am 4. Sep­tem­ber 1939 auf dem Bahnhof in Waldkappel ein. Von dem Transport, der dem Raum Eschwege zugewiesen wurde, waren die Meisten in Ensheim beheimatet, wovon allein die Stadt Waldkappel 430 Personen aufnehmen musste. Da die Evakuierten nur mit etwas Hausgepäck dort ankamen, wurden sie überwiegend in Privatquartieren untergebracht. Da hieß es zum ersten Mal während dieses Krieges für die Waldkappeler Bevölkerung: Zusammenrücken, man hatte ja aus dem letzten Krieg noch Übung darin.

Am 9. Fe­bru­ar 1940 rückte dann noch das 330 Mann starke Pferdelazarett 506 mit 96 Pferden nach dem Polenfeldzug in Waldkappel ein, wodurch die Stadt infolge der Einquartierungen mit inzwischen 760 Einquartierten nun hoffnungslos überfüllt war. Erst am 3. und 4. Ju­ni 1940 gab es die erste Entlastung, als eine Kraftwageneinheit und das Pferdelazarett die Stadt verließen. Die einquartierten Saarländer verließen die Stadt ebenfalls noch mehrheitlich im August 1940, laut einer anderen Quelle erst im September 1940, in Richtung Heimat, so dass vorläufig erst einmal Ruhe in den Ort einkehren konnte. Es sollte aber alles noch viel schlimmer kommen.

Im Sommer 1942 wurde auf dem Waldkappeler Bahnhof von der Wehrmacht eine Sammelstelle für Raufutter eingerichtet, an der das gesamte Futter aus den Kreisen Eschwege und Witzenhausen gebracht werden musste, welches für die Ablieferung vorgesehen war. Zur vorläufigen Lagerung des Futters wurde das am Bahnhof zu Ballen gepresste Futter in offene Holzschuppen gebracht, die extra für diesen Zweck im Bahnhofsbereich errichtet worden waren. Sämtliche Arbeiten, die dort anfielen, wurden von französischen Kriegsgefangenen durchgeführt, deren Bewachung durch Landschützen, später auch durch Zivilpersonen sichergestellt wurde, ebenso wie die Sicherheit des Depots.

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